Verdammt feurig
und das war Sofie. Und vielleicht würde Seppo ein guter Freund werden. Vielleicht sogar mehr als das.
Verwandlungskünste
»Luzie, Achtung! Pass auf!«
Zu spät. Meine Stirn war schon gegen die Tischkante gekracht – und zwar so heftig, dass unsere Gläser ins Rutschen gerieten, umkippten und ich von zwei Sorten Limonade übergossen wurde: Sofies Diät-Fanta und mein heiß geliebtes Bitter Lemon. Prustend krabbelte ich unter dem Tisch hervor.
»Nicht bewegen!«, befahl Sofie entschieden. »Da sind überall Scherben! Ich hol was zum Aufwischen.«
Ich verharrte auf allen vieren auf dem nassen Teppichboden, bis Sofie mit einer Rolle Küchenpapier und einem Handstaubsauger zurückgekehrt war und meine Hose sich vollkommen mit dem süßen Zeug vollgesogen hatte.
»Mann, auf dich muss man ja sogar aufpassen, wenn du schläfst«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Bin ich etwa schon wieder eingeschlafen?«
»Jaaa, bist du.« Sofie grinste mich schief an und las mit spitzen Fingern die Scherben auf. »Zum fünften Mal übrigens. Findest du das wirklich alles so langweilig?«
»Nein, natürlich nicht«, log ich. In Wahrheit fand ich es sogar entsetzlich langweilig. Hannahs beste Freundin war ja noch relativ cool, aber dieses ständige Versteckspiel von Hannah und ihre superlässigen Bemerkungen über sich selbst und alle ihre kindischen Spinnereien – ich musste gähnen, wenn ich nur daran dachte.
»Kannst wieder aufstehen«, gab Sofie Entwarnung, nachdem sie die Scherben aufgesaugt und die Limo weggewischt hatte. Alles an mir klebte. Und die nassen Stellen an meinem Pulli und meiner Hose fingen an, unangenehm kalt zu werden.
»Oje, siehst du aus …«, kicherte Sofie belustigt. »Komm, ich leih dir was von meinen Klamotten. Oder willst du vielleicht doch schon deinen Schlafanzug anziehen?«
Nein, das wollte ich mit Sicherheit nicht. So hatte Sofie sich das eigentlich vorgestellt heute Abend: Wir saßen in Pyjamas vor dem Fernseher, tranken Limo, aßen Schokolade (ich mochte keine Schokolade) und sahen uns eine ganze Staffel Hannah Montana an. Aber aus unerfindlichen Gründen waren plötzlich alle meine bequemen Lieblingswohlfühlklamotten und grauen Pyjamas spurlos verschwunden (Mama – sie gab es nicht zu, aber ich wusste, dass sie dafür verantwortlich war), und ich hatte nur noch den schrecklichen rosa Flanellschlafanzug gefunden, den Mama mir nach meinem letzten Sturz fürs Krankenhaus geschenkt hatte. Und den wollte ich erst überstreifen, wenn es dunkel war. Außerdem platzten ständig Sofies Eltern in das Dachzimmerchen und sahen nach, ob ich noch da war, weil meine Mutter alle halbe Stunde Kontrollanrufe bei ihnen machte.
Seufzend schaltete Sofie den Fernseher aus.
»Na komm, ich geb dir was von meinen Sachen. Zieh erst mal das klebrige Zeug aus.«
Sie öffnete ihren Schrank und legte in höchster Konzentration den Finger an die Lippen, während ihre Augen über die überquellenden Fächer und Kleiderbügel wanderten.
»Bitte nix Buntes«, sagte ich schnell, als ihre Hand sich einem pinkfarbenen Blüschen näherte.
»Ach, Luzie, nun sei nicht so. Probier doch mal was anderes!«
»Aber nicht Pink oder Rosa oder Lila. Auf keinen Fall. Das passt nicht zu meinen Haaren.«
»Na gut. Aber Kaki passt. Kaki steht jeder Rothaarigen, das hab ich gelesen. Hier, das ist für oben …« Sie reichte mir ein spinatgrünes Longsleeve mit einem viel zu tiefen Ausschnitt. »… und das für unten.«
»Für unten?« Ich drehte das schwarze Stück Stoff hilflos hin und her.
»Das ist ein Rock!«
»Niemals«, protestierte ich, doch Sofie begann schon, mir das Shirt über den Kopf zu stülpen. Und ich wollte nicht mit nackten Beinen ihn ihrem Zimmer stehen, falls ihr Vater oder ihre Mutter wieder den Kopf zur Tür hereinsteckten. Also ließ ich mich auch noch zu dem Rock überreden.
»Oh Mensch, das sieht total süß aus, findest du nicht?« Sofie zerrte mich vor ihren riesigen Wandspiegel. »Wenn ich nur so schlank wäre wie du … ich würde jeden Tag einen Rock tragen. Du hast eine so niedliche Figur, wie eine Puppe.«
Ich fand das, was ich sah, ehrlich gesagt ziemlich schrecklich. Ich kam mir verkleidet vor. Das Shirt saß eng und kniff unter den Achseln und meine Beine waren entschieden zu weiß für so ein winziges schwarzes Röckchen. Ich wollte genervt zur Decke schauen, doch ein grelles silbergraues Flackern versperrte mir die Sicht – Vitus! Er hatte seine Augen geöffnet! Doch diesmal taumelte ich nicht
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