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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Minutentakt.
    »Ich kannte mal einen, der hatte ein blaues und ein grünes Auge«, rutschte es aus mir heraus.
    »Wow. Das ist ja krass«, raunte Sofie andächtig.
    »Der ganze Kerl war krass«, erwiderte ich. »Das blaue Auge leuchtete total hell, fast wie Schnee. Er sah aus wie ein Husky.«
    »Und was ist aus ihm geworden?«
    Tja, was war aus ihm geworden. »Er beschützt als durchsichtige Lichterscheinung die Meerschweinchenherde eines Promi-Töchterchens.« Hahaha. Niemals konnte ich das sagen.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich stattdessen und klang dabei so kläglich, dass Sofie meinen Arm streichelte. »Er war auf einmal weg.« Sofie nickte verständnisvoll, als würde so etwas andauernd passieren. Mal waren die Jungs da, dann waren sie wieder weg.
    »Du … kann ich dich was fragen?«
    »Immer!« Sofie rückte näher an mich heran. Ich blickte auf meine weißen, haarigen Knie und wusste nicht, wie ich anfangen sollte.
    »Hast du – hm. Hast du manchmal das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein? Also – dass da noch etwas ist außer dir, eine – ach, vergiss es …«
    »Eine andere Macht? Gott oder so?« Sofie krallte ihre Hand aufgeregt um meinen Arm. »Jaaa, das kenne ich. Manchmal ist das so und manchmal nicht. Es ist ganz bestimmt noch eine größere Macht da draußen; mein Religionslehrer ist sich sogar absolut sicher, dass das so ist!«
    Sofie zeigte durch das geschlossene Fenster vage in den trüben Nachthimmel hinaus, aus dem es wieder Bindfäden regnete. Dabei schwebte diese höhere Macht, die ich meinte, wahrscheinlich direkt über ihrem blonden Schopf, genau wie Vitus über meinem roten. Denn ich meinte nicht Gott. Ich meinte die Körperwächter.
    »Und bei den Schulgottesdiensten, wenn wir gemeinsam singen – Mann, das ist so schön, oder? Findest du nicht?«, schwärmte Sofie. »Letztes Mal saß ich sogar hinter Kemal!«
    »Doch, klar.«
    Bisher hatte ich in den Schulgottesdiensten geschlafen oder ich hatte sie geschwänzt. Das fiel niemandem auf, da ich bei meinen muslimischen Mitschülern im Ethikunterricht saß, den ich meistens käsekästchenspielend mit Serdan verbrachte. Ich war ja nicht getauft worden.
    Ich unterdrückte ein Seufzen. Jemandem alles zu erzählen war also ein Ding der Unmöglichkeit. Das würde ich niemals tun können. Sofie würde mich für verrückt halten.
    Und trotzdem. Irgendwie hatte es gutgetan, mit ihr über Seppo zu sprechen und nicht immerzu das Luftblasengesicht aufsetzen zu müssen. Ja, ich durfte sogar lachen und sagen, was ich fühlte. Das durfte man bei Jungs nie. Die hatten Angst vor Gefühlen.
    Und den Rock konnte ich nachher ja wieder ausziehen.
    Nachts träumte ich, ich hätte plötzlich überall lange rote Haare auf meinem Körper. Sogar am Rücken.

Ein Hauch von rosa
    Nach der Pyjamaparty bei Sofie schenkte Mama mir ein Handy. »So kannst du mich besser erreichen, wenn irgendetwas ist.« Im Klartext hieß das: »Jetzt kann ich dich jederzeit und immer anrufen.« Und das tat sie auch. Wenn die S-Bahn mal Verspätung hatte oder ich nicht pünktlich aus der Schule wegkam, schrillte mein Handy. Billy und Serdan fingen schon an, Witze darüber zu machen. Nur Seppo fand das in Ordnung. »Wird doch Zeit, dass du ein eigenes Telefon hast, oder?«, meinte er. Aber das war kein Telefon. Das war eine Luzie-Kontrollier-Maschine. Ich brauchte das Ding nicht. Und die Jungs riefen mich ja doch nie an. Seppo konnte es schnurzegal sein, ob ich ein Handy hatte oder nicht.
    Dafür bekam ich immer öfter Kurznachrichten von Sofie. Am Anfang verstand ich kaum etwas von dem, was sie mir schrieb. Sie verwendete lauter Abkürzungen, die ich nicht kannte. fg zum Beispiel bedeutete »fettes Grinsen«. lg waren »liebe Grüße«. Und ks hieß »Küsse, Sofie«. Dabei hatten Sofie und ich uns noch nie ein Küsschen gegeben. Doch Mama hatte das Handy so einrichten lassen, dass ich für maximal zehn Euro im Monat telefonieren oder Kurznachrichten verschicken konnte und jede SMS vierzig Cent kostete. Das Handy sollte ja vor allem dafür da sein, dass ich für Mama erreichbar war. Also musste ich Sofie nicht zurückschreiben.
    Kurz und gut – ich hatte mich mit Mama zwar einigermaßen versöhnt, aber sie bewachte mich auf Schritt und Tritt, und so freute ich mich bald nicht mehr, sie zu sehen oder zu hören und schon gar nicht ihre Nummer auf meinem Display zu sehen. Ich sehnte mich nach einer mamafreien Zone.
    Eigentlich war alles schlimmer geworden und nicht besser. Denn

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