Verdammt feurig
letzt sofort!«
»Was soll ich denn drunterziehen?«
»Na, Unterwäsche und sonst nichts!«
Mama schniefte beleidigt, als ich mit dem Kostüm ins Bad verschwand, aber sie wusste ja nicht, dass über mir eine männliche Amöbe schwebte, die mich noch gewissenhafter überwachte als sie und nur vor dem Badezimmer haltmachte. Und wer weiß, vielleicht schlug Vitus genau in diesem Moment die Augen auf. Es dauerte eine Weile, bis ich die Stoffteile sortiert hatte, aber nach einigen Verrenkungen saß das Kostüm wie angegossen.
Ich erlaubte Mama, mich zu begutachten, und sie positionierte mich unter spitzen Begeisterungsschreien vor ihrem Frisierspiegel im Schlafzimmer und begann, mich anzumalen.
Die Anmalerei dauerte ewig, aber Mama war so glücklich dabei, dass ich nur ab und zu meckerte. Am meisten meckerte ich, als sie mir die Wimpern tuschte und meine Augen dunkelgrün umrandete. Gegen den rosafarbenen Lippenstift konnte ich mich erfolgreich wehren. Mama ließ sich zu einem unauffälligen »Gloss« überreden. Sie hatte ungefähr siebzehn verschiedene Farben zur Auswahl und entschloss sich zu ihrem Lieblingston – Tropische Koralle. Noch bevor wir aufbrachen, wischte ich mir verstohlen über den Mund. Ich musste es ja nicht gleich übertreiben.
Auf der Treppe brach ich mir beinahe den Hals, weil ich über den Fischschwanz stolperte, und dann klemmte ich ihn versehentlich in der Autotür ein. Als echte Nixe wäre ich längst tot gewesen.
Nach der ersten Kreuzung klopfte mein Herz auf einmal so schnell, dass ich nicht mehr mitzählen konnte. Einen Moment lang wollte ich »Stopp!« schreien und Mama sagen, dass sie umkehren solle, dass mir schlecht sei, dass ich krank werde, irgendetwas, um nur nicht zum Ball zu müssen. Und als ich mich endlich wieder beruhigt hatte, kam mir plötzlich der Gedanke, dass Seppo vielleicht Silvana mitbringen und den ganzen Abend an ihr kleben würde. Dabei war das völliger Quatsch. Silvana lebte in Hamburg.
Um mich abzulenken, schaute ich noch einmal in den kleinen Spiegel, den Mama mir mitgegeben hatte – »damit du dein Make-up überprüfen kannst«. Was nützte das schon? Wenn ich feststellte, dass ich bescheuert aussah, konnte ich sowieso nichts daran ändern. Aber ich fand nicht, dass ich bescheuert aussah. Nur sehr anders. Meine Lider glitzerten und mein Haaransatz schimmerte türkis, als würde ich mich unter Wasser bewegen. Das Sonderbarste aber waren meine Haare selbst. Mama hatte sie in kleine Portionen abgeteilt, sie zu Schnecken gezwirbelt und mit grünen Flatterbändern festgebunden. Ich hatte also zumindest so etwas Ähnliches wie lange Haare. Leider hatte Mama aber auch eine Handytasche in den Fischschwanz eingebaut. Er würde ab und zu klingeln.
Nachdem Mama mich unter vielen Küssen und einigen Tränen in ihren leuchtenden Augen verabschiedet hatte, nahm ich meinen Fischschwanz so würdevoll wie möglich in die Hand und lief auf schwammigen Knien zur Aula. Sofie wartete schon auf mich. Sie sah scheußlich blass und krank aus. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten.
»Ach du je, Luzie!«, kreischte sie und schlug sich die Hände vor ihre bleichen Lippen. Dann begann sie haltlos zu kichern.
»So schlimm?«, fragte ich angriffslustig und ließ meine Schwanzflosse zu Boden gleiten. Sofie sah auch nicht gerade umwerfend aus. Sie trug einen zerfetzten schwarzen Umhang und ihre Haare waren komplett ruiniert.
»Hast du denn nicht gewusst, unter welchem Motto der Ball steht?« Mitleidig strich sie über mein Schuppenkleid.
»Motto? Ja, schon. Bis zum Morgengrauen. Falsch geschrieben übrigens. Ein s zu viel«, erwiderte ich und deutete zu dem Schild über dem Eingang. Irgendjemand hatte noch versucht, es im Nachhinein zu verbessern, und das zweite s in Klammern gepackt.
»Oh neiiin.« Sofie kicherte erneut. »Das soll so sein! Biss zum Morgengrauen. Biss!« Sie bleckte ihre Zähne und ein Vampirgebiss rutschte aus ihrem Mund. Sabbernd setzte sie es wieder ein. Hatte sie nun den Verstand verloren?
»Das ist so eine Vampirkacke«, brummte es neben mir. Ich drehte mich hastig um und meine Schwanzflosse scheuerte raschelnd über den Boden. Billy trug einen bodenlangen schwarzen Mantel und hatte eine ebenso ungesunde Gesichtsfarbe wie Sofie.
»Das ist keine Kacke!«, giftete Sofie empört. »Das ist ein superschönes Buch, Luzie, ich werde es dir ausleihen, eigentlich sind es mehrere Bücher …«
Nun trat Serdan zu uns und musterte mich rätselnd.
»Luzie, bist du
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