Verdammt (German Edition)
Kopfgeldjäger wollen uns zu den Wissenschaftlern zurückbringen. Zu der Edison-Gruppe.«
Ich rang um einen neutralen Gesichtsausdruck, doch ein Funken Angst musste sich in meinen Augen abgezeichnet haben, als Chad diesen Namen aussprach, denn Neil hinter ihm nickte. Chad sah mich nur weiter an und wartete auf eine Reaktion.
»Okay …«, sagte ich schließlich. »Also … Vampire …«
»Keine richtigen Vampire«, sagte Chad. »Offensichtlich bist du ja weder darauf aus, Blut zu saugen, noch musst du dich vorm Tageslicht verstecken.«
»Echte Vampire sind nicht allergisch gegen Sonne«, sagte Neil. »Im Buch steht …«
»Vergiss das Buch. Meiner Meinung nach sind wir keine Vampire. Noch nicht. Noch ganz, ganz lange nicht, wie ich hoffe.«
Ich verhielt mich still und hoffte, mich durch nichts zu verraten.
»Okay, das ist ganz schön viel auf einmal«, sagte Chad. »Und du denkst jetzt wahrscheinlich, wir sind aus der Klapsmühle entflohen, aber das Problem ist, dass wir hier festsitzen und andere wie wir, die noch frei herumlaufen, in Gefahr sind. Zwei weitere Kids, die entkommen sind. Wir müssen ausbrechen, sie finden und warnen.«
Ich nickte. Ich wagte es nicht, etwas anderes zu tun.
»Du bist verletzt.«
Neil betrachtete meine Beine. Ich sah nach unten. Meine Jeans hatten riesige Löcher, wo sich die Knochen hindurchgebohrt hatten.
Ich setzte mich schnell und inspizierte demonstrativ die Haut unter dem Jeansstoff. »Nur aufgeschrammt. Wahrscheinlich davon, dass ich durch den Wald gerannt bin. So haben sie mich auch erwischt – sie haben mich von der Straße gedrängt.«
Als ich aufsah, wäre mein Kopf fast mit dem von Neil zusammengestoßen. Er stand vornübergebeugt da und studierte durch die Löcher meine Beine. Das Fleisch war immer noch von Kratern durchzogen und die Haut wellig wie Narbengewebe.
»Ein alter Unfall«, log ich.
Er musterte mein anderes Bein, das direkt unter dem Riss im Stoff die gleiche halbkreisförmige Narbe aufwies.
Dann sah er mich an. Ich wahrte eine undurchdringliche Miene, doch ich sah ihm an, dass er Bescheid wusste, und spürte ein seltsames Kribbeln in der Brust, als wollte mein Herz zu hämmern beginnen.
Neil nickte und richtete sich auf. »Solange es dir gut geht.«
»Es geht ihr nicht gut«, wandte Chad ein. »Sie ist eine Gefangene, die verrückten Wissenschaftlern übergeben werden soll. Genau wie wir. Genau wie diese anderen Kids.« Er sah mich an. »Hast du eine Ahnung, wer sie sind?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Vielleicht warst du nicht über das Experiment informiert, aber du musst ja irgendwas gehört haben. Du warst auf der Flucht, stimmt ’s? Wie wir. Haben deine Eltern von anderen Kids gesprochen? Vielleicht habt ihr sie besucht, und deine Leute haben behauptet, sie seien alte Freunde?«
»Nein, tut mir leid.«
Er atmete aus und blies dabei die Backen auf. »Okay, gut, dann denk mal drüber nach, während wir an einem Fluchtplan arbeiten. Aber frag ihn nicht nach Ideen.« Er nickte abschätzig zu Neil hinüber, der sich schon wieder auf seine Kiste zurückgezogen hatte. »Er ist nicht an Flucht interessiert.«
»Natürlich bin ich das«, sagte Neil. »Aber in meinen Augen fehlen uns momentan die Möglichkeiten. Keine Fenster. Eine Tür, versperrt. Wahrscheinlich halten die Männer, die uns hierhergebracht haben, direkt davor Wache.«
»Tun sie«, sagte ich, ehe ich mich beherrschen konnte. »Ich meine, ich habe jemanden draußen gehört. Glaube ich zumindest.«
Chad kaufte es mir ab. Neil allerdings auch diesmal nicht. Er musterte mich mit seinem unergründlichen Blick.
»Lies ruhig weiter in deinem Vampirbuch«, sagte Chad. »Wir wecken dich, wenn wir aufbrechen.«
»Vampirbuch?«, fragte ich.
»Es ist das Tagebuch eines Vampirs«, antwortete Neil. »Meine Eltern haben mir erst letztes Jahr gesagt, was ich bin. Sie sind selbst gebürtige Vampire, wissen aber nicht sehr viel darüber. Ganze Familien tragen das Gen in sich, aber bei den meisten – wie bei meinen Eltern – ist es rezessiv.«
»Faszinierend«, sagte Chad gähnend.
Neils Blick blieb an mir haften, als wartete er auf die Erlaubnis, fortzufahren. Ich nickte, und er sprach weiter.
»Mit rezessiv meine ich, dass sie nach ihrem Tod nicht als Vampire zurückkehren werden. Allerdings können sie diese Fähigkeit eventuell an ihre Kinder vererben. Da sie beide das Gen in sich tragen, hatten meine Eltern Angst, es könnte das Risiko erhöhen, dass ihr Kind ein echter Vampir
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