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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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gerade gefilmt wurde. Fast unbewusst begann er zu zählen. Als er bei fünfunddreißig angekommen war, hörte er auf.
    Mechanisch ging er zum Bett, legte sich hin und tastete auf der Bettdecke nach den geschwungenen Umrissen seines Telefons. Mit geschlossenen Augen hielt er es sich ans Ohr und wählte den Audio-Code von Alice. Für ein Holotelefonat fühlte er sich nicht stark genug.
    Das akustische Signal, das den erfolgreichen Verbindungsaufbau anzeigte, ertönte eine ganze Weile und brach schließlich automatisch ab. Alice wollte nicht rangehen. Er wusste, dass sie nicht weit von ihrem Telefon weg sein konnte (das war sie nie). Wenn sie nicht abgenommen hatte, dann ganz einfach, weil sie keine Lust gehabt hatte.
    Er fragte sich, was Alice wohl über das neue Drehbuch dachte. Denn bestimmt hatte sie es auch schon geschickt bekommen. Wie kam sie wohl mit ihrer Rolle als eifersüchtige Frau zurecht? In gewisser Weise hatte sie diesen Registerwechsel mit ihrer Improvisation am Vorabend ja selbst nahegelegt.
    Aus einem Impuls heraus wählte Jason noch einmal ihren Code. Und als das Rufsignal abbrach, noch einmal. Er wollte testen, wie lange sie durchhielt, wie weit ihre Entschlossenheit ging. Wenn er sie beharrlich genug nervte, würde sie irgendwann drangehen. Und selbst wenn sie nur nicht mit ihm sprechen wollte, weil ihr die neue Ausrichtung ihrer Figur zu schaffen machte, würde sie nachgeben.
    Aber sie gab nicht nach. Nach dem fünften Versuch warf Jason das Handtuch. Mit jedem Anruf war er nervöser und wütender auf Alice geworden. Eigentlich war das nicht gerechtfertigt, schließlich konnte sie nichts für die Entscheidung der Drehbuchautoren. Aber das hinderte ihn nicht daran, ihr ihr Schweigen übel zu nehmen.
    Dabei war es im Grunde gar nicht verwunderlich. Von Beginn ihrer Beziehung an war Alice eher eine unwirkliche, fast körperlose Figur gewesen, selbst wenn er sie in den Armen gehalten hatte. Irgendetwas an ihr bekam er nicht zu fassen und würde es auch nie zu fassen bekommen.
    Erstaunlicherweise löste dieser Gedanke ein tiefes Gefühl von Freiheit in ihm aus. Er hatte sich bei Alice immer allein gefühlt, von Anfang an. Sich das einzugestehen, bedeutete einen Riesenschritt für ihn. Aber einen Schritt in welche Richtung? Auf welches Ziel zu? Das wusste er nicht. Er wusste nur, dass ihn diese Erkenntnis von ihr entfernte; dass er sie plötzlich klein und von Weitem sah, eine Figur aus Pappmaché, von der er sich ohne große Mühe lösen konnte, um seinen Weg fortzusetzen.
    Das dachte er zumindest. Er dachte es genau fünfundvierzig Minuten lang – das war die Zeit zwischen seinem letzten Kontaktversuch mit Alice und dem Eintreffen einer neuen Nachricht von Minerva.
    Er hatte schläfrig und wie gelähmt auf dem Bett gelegen und immer wieder an Tinkerbell denken müssen. Er sah sie so, wie er sie das letzte Mal gesehen hatte, zerstückelt auf dem Boden des Wohnhaus-Studios, in das er sie in geheimer Mission geschickt hatte. Tinkerbell war nur eine Roboterin, aber erst jetzt, da er sie verloren hatte, merkte er, wie viel sie ihm in den letzten Jahren bedeutet hatte. Sie war ihm eine treue Gefährtin gewesen, ein unaufdringliches, liebenswertes Geschöpf, auf das stets Verlass war. Er würde sie vermissen. Das war der einzige Gedanke, der ihm immer wieder durch den Kopf ging und ihn davon abhielt, endlich einzuschlafen.
    Da kam das neue Drehbuch. Jason hörte die Akkorde der Arabesque von Debussy und aktivierte mechanisch das Öffnen der Datei. Sofort baute sich vor seinen Augen das Hologramm des Storyboards auf.
    Zuerst begriff Jason nicht: Die ersten Panels waren identisch mit denen, die er bereits von Paul bekommen hatte. Aber dieses Drehbuch kam doch von Minerva, es konnte nicht derselbe Mist sein.
    Er rieb sich die Augen und setzte sich im Bett auf, um sich zu konzentrieren. Eines nach dem anderen ging er die Panels des neuen Skripts durch, aber erst auf der letzten Seite wurde ihm ihre Bedeutung wirklich klar.









13
    Jason brauchte eine Weile, bis er die versteckten Kameras gefunden hatte. Aus dem Drehbuch ging zwar hervor, dass Alice ihm nachspionierte, jedoch nicht, wo sie überall Miniüberwachungssysteme angebracht hatte. Er verbrachte den restlichen Nachmittag damit, Schubladen auszuräumen, Schränke zu durchwühlen und Möbel abzusuchen. Dabei beklagte er sich mehrmals mit lauter Stimme, dass er eine Kontaktlinse verloren hätte. Zuerst tat er so, als würde er die Linse suchen, dann

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