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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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Und was Shiel heute morgen erzählt hat, war doch ganz schön vage, findest du nicht? Dann hatte er das Gesicht verzogen. » Schätze, Melville ist einfach nur scharf darauf, das Mädel in die Finger zu kriegen.«
    Irgendwie mit sich im reinen, betritt Drummond Captain Kells Büro, wo alle schon auf ihn zu warten scheinen mit der Morgenbesprechung.
    Zug Berli n –Leipzig, 20. Dezember 1912, Freitag
    » Sie sehen aber gar nicht gut aus, Seiler«, bemerkt Kapitän Tapken mit besorgtem Ton. » Sie sind doch nicht etwa krank?«
    Seiler würde am liebsten nur mit den Achseln zucken, aber das geht natürlich nicht einem Vorgesetzten gegenüber, also antwortet er: » Nein, mir fehlt nichts, Herr Kapitän. Ich schlafe nur schlecht zur Zeit.«
    Er blickt aus dem Zugfenster auf die vorbeifliegende Landschaft und hofft, daß der Kapitän nicht weiterfragt. Er weiß, daß er schlecht aussieht. Die Sorge um Vivian läßt ihn nicht schlafen, und er hat seit Wochen keinen rechten Appetit mehr. Tatsächlich muß er sich zum Essen zwingen, mehr als ein paar Happen bringt er kaum hinunter.
    Seit seiner Abreise aus England hat er nichts mehr von ihr gehört. Das sind mittlerweile schon sieben Wochen. Er hat ihr inzwischen fünf Briefe geschickt, den letzten zu ihrem Geburtstag, aber am Niemannsweg kam kein einziger von ihr an, bei der Marinepoststelle auch nicht. Letzte Woche hat er Emmeline geschrieben, ob sie etwas von Vivian gehört hat, aber eine Antwort von ihr kann er frühestens nach der Rückkehr nach Berlin erhalten. Er überlegt, ob er Peterman direkt anschreiben soll, scheut aber noch davor zurück. Nachts kann er kaum schlafen vor Sorge, alle möglichen Vorstellungen quälen ihn. Ist sie krank? Will sie nichts mehr von ihm wissen? Hat es mit ihm zu tun? Haben die Engländer ihre Spionagereise enttarnt und sie festgenommen? Hat sie sich in einen anderen verliebt?
    » Na, ich weiß nicht«, unterbricht Tapken seine düsteren Gedanken, » Sie sind ganz schön mager geworden.« Seine Stimme wird väterlich. » Wenn Sie nicht krank sind, was dann? Sie werden sich doch nicht etwa unglücklich verliebt haben?«
    Seiler weiß nicht, was er darauf sagen soll. Schließlich nickt er nur stumm.
    » Oje. Na, so etwas ist freilich nicht schön. Möchten Sie darüber reden?«
    Seiler würde am liebsten sagen, nein, das möchte ich nicht, aber das wäre zu unhöflich. Tapken meint es ja gut. Er zwingt sich zu einer Antwort: » Es ist nur so, daß ich schon seit fast zwei Monaten nichts mehr von meiner…«, wie soll er sie nennen?, » Braut gehört habe. Ich mache mir große Sorgen.«
    » Können Sie sie denn nicht erreichen? Oder gemeinsame Bekannte fragen? Ihre Eltern vielleicht?«
    Seiler schüttelt den Kopf. » Leider nicht. Und ihren Vater möchte ich nicht fragen.«
    Tapken nickt verständnisvoll. » Ah! Sie haben sich noch nicht erklärt. Hm. Wo lebt Ihre Freundin denn?«
    » In… in…« Die Stimme versagt ihm, und er muß sich zweimal räuspern, bevor er herausbringt: » Verzeihung. Sie lebt in London, Herr Kapitän.«
    » Eine Engländerin? Na so was! Da wandeln Sie ja geradezu in meinen Fußstapfen!«
    Seiler schaut ihn fragend an.
    » Nun, ich habe meine Frau in London kennengelernt, Seiler. Und ich kann Ihnen sagen, daß es auch ein ganz schönes Hin und Her war, bis sie endlich ja gesagt hat.« Er seufzt. » Zeitweise war ich richtiggehend verzweifelt. Und die Marine war auch nicht gerade begeistert, daß ich mir ausgerechnet eine Engländerin ausgesucht habe. Sie wissen ja, der Heiratskonsens.«
    Seiler weiß. Wenn ein Offizier heiraten will, braucht er die Zustimmung der Marineführung.
    Der Kapitän scheint zu spüren, wie unangenehm ihm die Unterhaltung ist, denn er sagt: » Kopf hoch, junger Freund! Ich drücke Ihnen die Daumen, daß sich alles zum Guten wendet. Und falls ich Ihnen irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich wissen.«
    Seiler schluckt. » Danke, Herr Kapitän.« Jetzt ist er den Tränen nah. Er beißt die Zähne zusammen und blickt aus dem Fenster. Gerade donnert der Schnellzug über die Elbbrücke bei Wittenberge. Das Wasser ist grau, der Himmel ist grau. Grauer Rauch von der Lokomotive wirbelt vorbei. Mein Gott, was ist nur los mit Vivian?
    Der Kapitän vertieft sich in Papiere und läßt ihn in Ruhe. Seiler ist mit ihm unterwegs zu einem Sonderauftrag. Zuerst müssen sie nach Leipzig, um beim Reichsgericht vorzusprechen, dann mit einem richterlichen Beschluß weiter nach Glatz in Schlesien, um die

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