Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
Vom Netzwerk:
machen sollte.«
    Er nimmt die Zeitung wieder auf. » Wo war ich? Ah, hier, Borkum. Am Abend des 22. August wurde Brandon vom Posten der Batterie festgenommen. Trench wurde am anderen Morgen von der Polizei verhaftet. Beide weigerten sich anzugeben, in wessen Auftrag sie arbeiteten. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Öffentlichkeit auszuschließen sei, führte Reichsanwalt Richter aus, es sei notorisch, daß seit Jahren in der englischen Presse und im englischen Publikum die Ansicht verbreitet sei, daß Deutschland einen Angriff auf England plane und England mit Spionen überschüttet werde. Dagegen ergebe sich aus dem der Anklage zugrunde liegenden Tatbestand unzweifelhaft, daß zwei aktive englische Offiziere die deutschen Küsten und Küstenbefestigungen, die lediglich defensiven Charakter haben, auszukundschaften versuchten. Dies könne höchstens für einen plötzlichen unvorhergesehenen Angriff einer fremden Macht von Bedeutung sein. Er bitte deshalb in der öffentlichen Behandlung fortzufahren. Der Verteidiger stimmte zu.
    Nach Vernehmung der Zeugen, des wachhabenden Offiziers auf Borkum und des Kanoniers, welcher den Leutnant verhaftet hat, verlas der Sachverständige die bei den Durchsuchungen im Hotel aufgefundenen Aufzeichnungen. Diese beziehen sich auf Brunsbüttel und die Nordseeinseln. Bei Kiel ist die Stellung eines Scheinwerfers erkundet worden, die von großer Bedeutung ist, da eine Landungsflotte aus der Stellung des Scheinwerfers weiß, woher das erste Geschützfeuer zu erwarten ist. Auch die Stellung einer Haubitzbatterie ist auf der Karte eingezeichnet. Weiter sind Skizzen vorhanden von Friedrichsort und Cuxhaven. Die eingezeichneten Stellungen sind mittels Sextant und Kompaß ermittelt worden. Die Messungen sind nachgeprüft und als außerordentlich exakt befunden worden. Eine Skizze zeigt die Lage einer Schnellfeuerbatterie auf Helgoland mit jedem einzelnen Geschütz und der Kommandeurstellung. Ferner eine Batterie am Südstrand, Kasernen und Magazine, sodann die Lage zweier Geschütztürme an der Nordwestecke. Der Verteidiger wies darauf hin, daß sich die Hafenbatterie auf Helgoland unmittelbar an der Promenade befinde. Alle Erkundungen konnten von öffentlichen Wegen aus gemacht sein.
    Der Sachverständige fuhr fort, daß von der Befestigung von Wangeroog genaue Aufnahmen gemacht wurden, mit Berücksichtigung von Baken, Leuchtfeuertürmen und anderen Geländeobjekten. Die Aufzeichnungen beziehen sich sogar auf kleinste Einzelheiten: Viehbestand, Gebäudezahl auf der Insel und die Lebensmittelversorgung. Auch die Lage der Kabel ist genau bezeichnet worden. Hierauf vertagte der Vorsitzende die Sitzung auf Donnerstag.«
    Tapken legt die Zeitung weg. » Den Rest kennen Sie. Beide wurden am nächsten Tag zu je vier Jahren Festungshaft verurteilt, ein verhältnismäßig mildes Urteil. Festungshaft ist ja nicht ehrenrührig und beinhaltet auch Freigang in der Stadt auf Ehrenwort sowie die Möglichkeit, Besuch zu empfangen.«
    London, Cecil Court, 22. Dezember 1912, Sonntag
    Seit ihrem verrückten Ausflug nach Rosyth hat Vivian nichts mehr von Adrian gehört. Selbst zu ihrem Geburtstag kam nichts, kein Brief, nicht einmal eine Karte. Es hat ihr den ganzen Tag verdorben, und sie mußte sich Mühe geben, Freude über die hübsche kleine Reiseschreibmaschine zu zeigen, die Vater ihr geschenkt hat.
    Ist Adrian vielleicht etwas zugestoßen? Die Vorstellung, daß er in einem Tauchboot unter Wasser herumfährt, hat sie immer beängstigend gefunden. Aber er ist doch nach Berlin versetzt worden, dort kann er wenigstens nicht ertrinken. Oder will er nichts mehr von ihr wissen, jetzt, da sie sich ihm so ganz hingegeben hat? Aber so ein Kerl ist er doch nicht. Diese Ungewißheit ist nicht auszuhalten. Die schlimmsten Vorstellungen geistern ihr durch den Kopf, und sosehr sie sich dagegen wehrt, sie kann nichts dagegen tun.
    Ich sollte mich ablenken, denkt sie, anstatt zu Hause herumzusitzen und zu grübeln. Draußen scheint immerhin noch die Sonne, aber es wird ziemlich frostig sein. Sie legt sich die gestrickte Stola um, zieht den warmen Mantel mit dem Pelzkragen an und streift die grünen Handschuhe über. Sie geht hinaus, ohne zu wissen, wohin. Aber es zieht sie ans Wasser, und sie landet in dem kleinen Park am Victoria Embankment. Die Sonne steht schon tief über der Charing Cross Station, und Cleopatra’s Needle glüht rot in ihren letzten Strahlen. Schwarz liegen die Sphinxe vor den Häuserzeilen am

Weitere Kostenlose Bücher