Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
englischen Offiziere Trench und Brandon, die dort in der Festung als Spione inhaftiert sind, ein weiteres Mal zu verhören. Tapken will herausfinden, wie der englische Spionageapparat organisiert ist. Er glaubt nicht, daß die Offiziere auf eigene Faust gehandelt haben, wie sie das im Prozess vor dem Reichsgericht ausgesagt haben.
In Leipzig ist das Wetter mild, von Schnee keine Spur. Sie überqueren die Parkanlagen vor dem neuen Bahnhof und wandern durch die Nikolaistraße zum Königsplatz, wo Tapken Zimmer im Hotel Deutsches Haus bestellt hat.
Seiler fragt ihn, warum die Reise ausgerechnet kurz vor Weihnachten unternommen wird.
» Wegen der Stimmung«, erklärt Tapken, » abgesehen davon, daß es mein Dienstplan nicht anders erlaubt. Ich hätte gern, daß unsere Unterhaltung mit den Gentlemen in möglichst angenehmer Atmosphäre stattfindet. Meine Frau hat mir übrigens Plumpudding für die beiden Offiziere mitgegeben, die klassische englische Weihnachtsspeise.«
Im Hotel gehen sie auf ihre Zimmer, legen ihre Uniformen an und treffen sich eine halbe Stunde später in der Empfangshalle. Tapken ist in Eile, er muß vor Ende der Vorsprechzeit im Reichsgericht sein, um die richterliche Verfügung zu beantragen, die er für das Verhör in Glatz braucht. Dann kann er sie morgen nachmittag zwischen zwei und drei Uhr abholen.
Das Reichsgericht ist ein mächtiger und eindrucksvoller Bau an der Harkortstraße, mit einem Steinrelief der Zwölftafelgesetze im Tympanon über dem Eingang, der von sechs mächtigen Säulen flankiert wird. Während Tapken bei dem zuständigen Richter vorspricht, geht Seiler in der Leipziger Altstadt spazieren.
Am Nachmittag, während sie im Café Merkur am Thomasring sitzen, sagt Tapken: » Bevor wir nach Glatz fahren, sollten Sie über den Fall Brandon und Trench Bescheid wissen. Ich war an beiden Verhandlungstagen anwesend, und es war außerordentlich interessant.«
Er holt eine Zeitung aus seiner Aktenmappe und schlägt sie auf. » Hier habe ich die Freiburger Zeitung vom 22. Dezember 1910. Der Prozessbericht ist in der gleichen Form in allen Zeitungen erschienen. Ich lese Ihnen mal das Wichtigste daraus vor:
» Leipzig, 21. Dezember. Heute begann vor dem vereinigten Strafsenat des Reichsgerichts die Verhandlung gegen die englischen Marineoffiziere Kapitän Trench und Leutnant Brandon wegen Verrats militärischer Geheimnisse.
Die Angeklagten werden beschuldigt, im August dieses Jahres an verschiedenen Orten des Deutschen Reiches Zeichnungen und andere Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, in den Besitz des englischen Nachrichtendienstes gebracht zu haben. Beide geben zu, sich Kenntnisse militärischer Geheimnisse verschafft zu haben. Zuerst wird Leutnant Brandon vernommen. Es wird ein Brief Brandons an Trench verlesen und Instrumente gezeigt, die beide mit sich geführt haben, wie Höhenwinkel, ein photographischer Apparat und Doppelgläser. Hierauf wird der Tatbestand besprochen. Die beiden Offiziere trafen sich in Brunsbüttel und begaben sich dann nach Cuxhaven, Bülk, Helgoland, Norderney und Wangeroog. Sie haben dort photographische Aufnahmen und Messungen ausgeführt und Zeichnungen angefertigt. In Brunsbüttel hatten sie die Aufstellung der Geschütze skizziert. Von Wangeroog und Langeroog gingen beide nach Juist und von da nach Borkum. Hier versuchten sie, die Lage des Scheinwerfers und einer Batterie festzustellen.«
Tapken läßt die Zeitung sinken. » An dieser Stelle hat die Verteidigung den Roman The Riddle of the Sands erwähnt, zu deutsch Das Rätsel der Sandbank, mit dem Untertitel Ein Bericht des Geheimdienstes. Auf die Frage, ob er es gelesen habe, hat Captain Trench erwidert: › Dreimal.‹ Diese Anwort hat für Heiterkeit im Saal gesorgt.«
» Ah!«, wirft Seiler ein. » Ich habe es gelesen, aber das ist schon eine Weile her. Die Schilderung der Segeltörns im Gebiet der Ostfriesischen Inseln ist einmalig. Ich finde, es ist eins der schönsten Bücher über das Segeln, die je geschrieben wurden.«
» Das ist es«, sagt Tapken, » aber es enthält auch erstaunlich präzise Angaben zum deutschen Küstenvorfeld. Als es herauskam, hat es in britischen Marinekreisen einiges Aufsehen erregt, bei uns übrigens auch. Ich neige zu der Ansicht, daß diese Erkundungsfahrt wirklich stattgefunden hat und die Veröffentlichung als Roman die britische Öffentlichkeit auf die Gefahr einer möglichen deutschen Invasion aufmerksam
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