Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Rohren, wie ein schweres Gewitter rollt es über die Förde und läßt noch in der Stadt die Scheiben klirren. Rauchwolken verdecken minutenlang die Schiffe, bis der leichte Wind sie davontreibt. Auf den Achterdecks der britischen Schlachtschiffe und Kreuzer paradieren die Seesoldaten in roten Röcken, ihre Spielleute schlagen den Präsentiermarsch. Matrosen in Weiß mannen in Paradeaufstellung die Seiten.
Seiler steht mit Kapitän Tapken am Zugang zur Seebrücke 1. In Galauniform, komplett mit Zweispitz und Säbel, warten sie auf die Pinasse, die sie auf die kaiserliche Yacht bringen soll. Auf ihr wird gleich nach dem Festmachen die Vorstellung der englischen Offiziere vor dem Kaiser erfolgen. Korvettenkapitän Erich von Müller, der Marineattaché in London und Nachfolger Widenmanns, gesellt sich zu ihnen. Tapken fragt ihn, ob er Admiral Warrender persönlich kenne.
Der Attaché zuckt die Achseln. » Kennen ist zuviel gesagt. Ich bin ihm nur einmal auf einem Empfang begegnet. Sehr weltmännisch, war mein Eindruck, vornehm, aber ganz umgänglich. Soviel ich weiß, ist er Mitte der Fünfzig und schwerhörig. War Chef der East India Station und ist vor ziemlich genau einem Jahr zum Vizeadmiral befördert worden.«
» Freue mich darauf, ihn kennenzulernen«, meint Tapken, » er wird in meiner Sammlung der vierte englische Admiral sein, nach Seymour, Cradock und letztes Jahr Jellicoe.«
Das Gesicht des Attachés verdüstert sich. » Hüten Sie sich vor den Engländern, Herr Kapitän! England ist bereit zum Losschlagen, wir stehen unmittelbar vorm Kriege, und der Zweck dieses Flottenbesuches ist nur Spioniererei. Sie wollen ein klares Bild von der Bereitschaft unserer Flotte haben. Erzählen Sie ihnen bloß nichts von unseren U-Booten!«
Tapken und Seiler werfen sich einen verwunderten Blick zu. Das sind harte Worte aus dem Mund eines Diplomaten, gerade jetzt, wo die Beziehungen zwischen den beiden Nationen doch besser geworden sein sollen. Seiler würde den Attaché gern fragen, welche Gründe er für seine Aussage hat, aber die Gelegenheit ist schon vorbei. Gerade sagt von Müller ärgerlich: » Da kommt das Boot ja endlich. Verdammte Trödelei! Können Seine Majestät doch nicht warten lassen. Also los, meine Herren!«
Die Pinasse rauscht mit Volldampf los, auf die kaiserliche Yacht zu, die soeben ihren Liegeplatz erreicht hat. Ein merkwürdiges Fahrzeug, denkt Seiler, halb Luxusdampfer, halb Kriegsschiff. Dabei ist es ein großes Schiff, das 4500 Tonnen Wasser verdrängt und über 120 Meter lang ist. Die Bemerkung des alten Admirals Knorr fällt ihm ein, der die Yacht einmal als einen ins Wasser gefallenen Omnibus bezeichnet hat.
Flugzeuge der Marine und ein Luftschiff umkreisen die weiße Hohenzollern. Dabei kippt ein Flugzeug ab, trudelt hilflos abwärts und stürzt ins Wasser. Barkassen eilen zur Unfallstelle, doch der Empfang auf der Yacht des Kaisers duldet keine Unterbrechung.
Kiel, Wasserallee, 25. Juni 1914, Donnerstag
Seiler schlendert mit Vivian, Emmeline und Peterman die Wasserallee entlang und erntet neidvolle Blicke wegen seiner hübschen Begleiterinnen. In der Nähe der Hansabrücke bleiben die Leute stehen und zeigen aufs Wasser hinaus. Scheinbar gibt es etwas Besonderes zu sehen. Tatsächlich, dicht hinter den Barkassen und Segelbooten, die hier an ihren Bojen liegen, gleitet langsam ein U-Boot in Richtung Holtenau. Seiler drückt Vivians Arm und sagt: » Schau mal, ein U-Boot!«
Es ist das erste Mal, daß während der Kieler Woche ein U-Boot zu sehen ist, und entsprechend viele Neugierige drängen sich an der Ufermauer, um einen Blick zu erhaschen. Bisher wurden sie immer versteckt, und jetzt auf einmal fährt eines spazieren, so nahe, daß man jede Einzelheit sehen kann. Seiler erkennt U 8 an dem Wellenbrecher vor dem Turm, den sonst kein Boot hat. Allerdings ist auf den Turm in großen weißen Ziffern 89 gemalt. Es muß ein Ulk sein, denn es ist ja eins der alten Petroleumboote. Scheinbar will man ausländischen Beobachtern weismachen, daß es entsprechend viele U-Boote gibt. Tatsächlich sind erst neunundzwanzig Boote im Dienst. Zehn davon haben die neuen Dieselmotoren, U 19 bis U 28. Weitere elf sind im Bau. Deutschland war die letzte Seemacht, die solche Boote in Dienst gestellt hat. Die Royal Navy hat derzeit knapp sechzig Boote, die veraltete A-Klasse nicht mitgerechnet.
Peterman fragt Seiler, ob es tatsächlich neunundachtzig oder mehr Boote gebe. Seiler schüttelt den Kopf. »
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