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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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er sich für einen weiteren Ausflug an, mit Kniehosen und festen Schuhen. Er frühstückt ausgiebig und bittet anschließend die Wirtin, ihm einen kleinen Imbiß zurechtzumachen, da er eine Wanderung entlang des Flusses unternehmen möchte. Sie packt ihm Brotscheiben, kalten Braten, Äpfel und eine Flasche Selterswasser in ein Einkaufsnetz. Damit macht er sich auf zur Waverley Station, um von dort mit dem Zug noch einmal nach Dalmeny zu fahren. Er will zu Fuß zum Hounds Point und dann die Küste entlang bis Cramond wandern. Mal sehen, was sich im Firth außerhalb der Brücke so tut. Er geht die Queen Street vor bis zur St. Andrew Street und biegt dort zum Bahnhof ab. Als er die Straße überquert und sich dem Haupteingang nähert, sieht er, daß zu beiden Seiten Polizisten und Männer in Zivil stehen, die Karten, vielleicht Photographien, in der Hand halten und jeden Passanten aufmerksam mustern. Er verlangsamt seinen Schritt. Was hat das zu bedeuten? Könnte es sein, daß nach ihm gesucht wird? Es weiß doch niemand, daß er hier ist, Reimers ausgenommen. Vielleicht fahnden sie einfach nach irgendeinem Kriminellen? Aber er hat ein ungutes Gefühl. Warum ein Risiko eingehen? Kurz entschlossen wendet er sich nach rechts und folgt der Princess Street nach Westen, weg vom Bahnhof. Es kribbelt ihm im Nacken, als würden ihm die Polizisten nachsehen, aber er widersteht der Versuchung, sich umzudrehen. Am westlichen Ende der Princess Street kommt er an der kleinen Caledonian Station vorbei und sieht auch dort einen Constable am Eingang. Jetzt wird ihm endgültig unheimlich. Er überquert die breite Straße wieder, biegt in die Queensferry Street ein und kehrt von da aus zur Pension zurück. Der Wirtin sagt er, daß er sich nicht wohl fühlt und deswegen seinen Ausflug abgebrochen hat. Den Lunch, den sie ihm mitgegeben hat, nimmt er mit auf sein Zimmer. Dann verbringt er die Zeit auf dem Bett liegend und grübelt. Eigentlich hat er ja gestern schon das Wichtigste gesehen und notiert. Nein, er wird heute lieber nichts unternehmen, und übermorgen früh muß er ohnehin abreisen. Hoffentlich sind die Polizisten dann verschwunden, bis auf die üblichen, die ja immer im Bahnhof präsent sind.
    Erst nach dem Abendessen verläßt er das Haus wieder und wandert ziellos herum. Er will den Abend nicht in dem tristen kleinen Zimmer verbringen und über Vivian nachgrübeln. Wenn sie nur hier wäre, bei ihm. Seine Sehnsucht nach ihr wächst mit jedem Tag und damit die Angst, er sei ihr im Grunde gleichgültig.
    Er kommt an den Fluß und schlendert den Uferweg entlang. Das Wasser ist dunkelgrün in der Abenddämmerung und schwarz im Schatten der Bäume am Ufer. Ein Stück weiter taucht eine runde Kuppel aus dem dichten Laub auf, ein Monopteros. Schwarz steht das kleine Rundtempelchen vor dem letzten Abendlicht, verblassendes Lachsrosa unter dem grauvioletten Himmel, in den sich ein paar dünne Wolkenschleier weben. Eine Statue der Hygieia, der Göttin der Gesundheit, steht darin. Daneben führt eine Steintreppe hinab zu einer schmalen Uferterrasse. In die Mauer dieser Treppe ist ein Brunnen eingelassen, Wasser plätschert in ein kleines Becken. Darüber steht St. Bernard’s Well. Er setzt sich auf die Einfassung der Treppe, zündet sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug.
    Das also ist das Leben eines Spions. Einsamkeit und die Angst, enttarnt und ins Gefängnis geworfen zu werden. Auch der Marineoffizier hat manchmal Angst, aber er ist wenigsten nicht so mutterseelenallein und muß sich nicht verstellen.
    Was Vivian jetzt wohl macht? Er versucht, sich vorzustellen, wie sie in ihrem Zimmer auf dem Bett liegt, lesend, das Kinn in die Hand gestützt, im goldenen Schein einer Nachttischlampe. Er beißt die Zähne zusammen. Ein doppelter Whisky käme jetzt recht. Aber er hat keine Lust, in ein Pub zu gehen. Wer weiß, vielleicht sieht man ihm den Deutschen doch an. Irgendwelche Kleinigkeiten im Ausdruck, in der Haltung, in der Art, sich zu bewegen. Und Vivian? Stört sie sich etwa daran, daß er kein Engländer ist? Aber sie ist ja selbst halb Deutsche. Was, wenn sie wüßte, dass er ein Spion ist? Er versucht, sie aus seinen Gedanken zu verdrängen. Auch sollte er längst im Bett sein. Aber die Stille hier ist zu schön, auch der ruhig fließende, tintenschwarze Fluß. Darüber funkeln die ersten Sterne.
    Edinburgh, 8. August 1911, Dienstag
    Der Scotch Expreß aus London trifft mit zehn Minuten Verspätung ein. Drummond reckt

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