Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
stark. Den Hut tief in die Stirn gedrückt, hielt er nach etwaigen Detektiven Ausschau, sah aber niemanden, der einer sein könnte. Die wenigen Passanten in der Gasse hatten es eilig, wichen den Pfützen aus, und keiner achtete auf ihn. Auf dem Weg zum Hotel sah er öfter einmal über die Schulter, aber niemand schien ihm zu folgen.
Was hatte Vivian nur für komische Grimassen geschnitten, hinter ihrem Vater? Und beim Tee hat sie ihn ein paarmal unterm Tisch mit dem Fuß angestoßen. Sollte das bedeuten, sie wolle ihn noch einmal alleine sehen? Aber wie hätte er das anstellen sollen? Na, jetzt kann er das wieder in Ordnung bringen.
Um elf Uhr hält der Zug in Cheltenham. Weit und breit ist kein Polizist in Sicht. Ein Plan der Stadt ist am Bahnhof ausgehängt, Seiler studiert ihn aufmerksam. Cheltenham ist eine kleine Stadt, fast alles ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Und es regnet nicht. Weiße Wolken treiben über den blauen Himmel, die Luft ist angenehm mild.
Er nimmt sich ein Zimmer im Queen’s Hotel am Südende der Promenade, gerade in der Mitte zwischen dem Bahnhof und dem Cheltenham Ladies’ College, und trägt sich als Mr. Stuart aus Southampton ein. Er macht sich kurz frisch, dann sucht er das College auf und betritt das Büro der Head Mistress, Miss Faithfull.
Er stellt sich als Anthony Stuart vor und bittet darum, Miss Vivian Peterman in einer Familienangelegenheit unter vier Augen sprechen zu dürfen. Miss Faithfull ist eine ältere Dame mit freundlichem Gesicht, die dunkelbraunen Haare, die an der rechten Seite ergraut sind, lose zurückgebürstet und zu einem Knoten gebunden. Sie trägt ein schlichtes dunkelgrünes Kleid, ein cremefarbener Kragen umschließt ihren Hals. Sie hört sich an, was er zu sagen hat, und entscheidet: » Gut, Mr. Stuart, ich werde Miss Peterman rufen lassen.« Sie erhebt sich, klopft kurz an eine Seitentür und kehrt zu ihrem Schreibtisch zurück. Die Tür öffnet sich nur ein paar Augenblicke später, und ein ältliches Fräulein fragt: » Ja, Miss Faithfull?«
» Seien Sie so gut, Margret, und bitten Sie Miss Peterman zu mir. Sie hat Besuch.«
» Ja, Miss Faithfull, sofort.« Damit schließt sich die Tür wieder hinter ihr.
Es vergehen nur wenige Minuten, bis es klopft.
» Come in, please!«
Vivian tritt ein, in einer weißen Bluse und einem langen grünen Rock. Erstaunt bleibt sie stehen, als sie ihn sieht. Doch sogleich blickt sie die Head Mistress an und fragt: » Sie haben mich rufen lassen, Miss Faithfull?«
» Dieser Gentleman hier möchte Sie sprechen, Miss Peterman.«
Die Head Mistress wird sich vergewissern wollen, ob alles seine Richtigkeit hat, denkt Seiler und sagt, bevor Vivian den Mund öffnen kann: » Good day, Miss Peterman! Mein Name ist Stuart, Anthony Stuart. Ich bin nicht sicher, ob Sie sich an mich erinnern. Ich bin der Sohn des Cousins Ihres Herrn Vater. Er bat mich, Ihnen Grüße auszurichten und Sie über seine Pläne für eine Geschäftserweiterung zu unterrichten.«
Vivian reagiert ohne Zögern: » Aber natürlich erinnere ich mich an Sie, Mr. Stuart! Es ist sehr freundlich von Ihnen, sich extra hierherzubemühen!«
» Oh, ich muß ohnehin nach Gloucester«, er muß fast lachen über das Theater, das sie hier spielen, » und Cheltenham liegt ja auf dem Weg. Sagen Sie, würde es Ihnen etwas ausmachen, heute abend gegen sechs Uhr mit mir zu dinieren? Das ist zwar ein wenig früh, aber da ich den Abendzug nach Gloucester um zehn Uhr dreißig nehmen muß, bitte ich hierfür um Ihr Verständnis.«
Das hat er sich so ausgedacht, damit die Direktorin nicht auf den Gedanken kommt, sie könnten die Nacht zusammen verbringen wollen. Gleich bei der Ankunft hat er nachgesehen, ob es einen späten Zug auch wirklich gibt. Er fügt hinzu: » Bei der Gelegenheit möchte ich Ihnen dann auch ein Päckchen überreichen, das mir Ihr Herr Vater mitgegeben hat.«
Vivian blickt fragend zu Miss Faithfull. Die nickt freundlich. » Natürlich. Gehen Sie nur, Miss Peterman. Warum zeigen Sie Mr. Stuart nicht unseren schönen Garten? Dort können Sie sich ungestört unterhalten.«
Vivian bedankt sich mit einem Knicks. Sie verlassen das Büro und gehen einen langen Korridor entlang, dessen Boden mit weißen und schwarzen Marmorplatten schachbrettartig ausgelegt ist. Es ist vollkommen still in diesem College, kein Ton ist zu hören außer dem Geräusch ihrer Schritte.
An der Pforte angekommen, lacht sie und sagt: » Das hast du dir ja fein ausgedacht!
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