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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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wieder unter im vielstimmigen Gemurmel. Dazu das Klacken und Schuffeln von Tausenden von Schuhen auf dem Pflaster und den Platten der Gehwege. Vereinzelt schrille Pfiffe oder das gräßliche Zerklirren einer großen Schaufensterscheibe. Vor einem Herrenausstattungsgeschäft wird unter Beifallklatschen die rot-weiß gestreifte Markise heruntergerissen.
    Vivian hält Emmelines Hand fest, die Menge macht ihr Angst, und zugleich ist es ein ganz unbeschreiblich erhebendes Gefühl, mit dabeizusein, unter so vielen Frauen. Frauen jeden Alters, beinahe jeden Standes, und alle von dem gleichen wütenden Willen erfüllt: Wahlrecht für Frauen! Zu dieser Demonstration, die größte, die London je gesehen hat, hat Emmeline Pankhurst aufgerufen, die Gründerin der Women’s Social and Political Union.
    Ein Pferdebus hat es nicht geschafft, rechtzeitig zu entkommen, und steckt fest. Frauen umfließen ihn auf beiden Seiten und versuchen, den nervösen Tieren nicht zu nahe zu kommen. Vom Oberdeck schreien erboste Männer Beschimpfungen herunter, schamloses Weibergesindel, euch sollte man den Arsch versohlen oder gleich richtig durchficken, drohen mit den Fäusten und werfen zerknüllte Zeitungen in die Menge, was mit Hohngelächter beantwortet wird. Vivian spürt, wir ihr die Röte ins Gesicht steigt, vor Scham und Wut zugleich.
    Die vordersten müssen schon die letzten Gebäude vor dem Piccadilly Circus erreicht haben, und der weite Platz wird von Frauen überschwemmt werden. Auf einmal erheben sich vorn wütende Protestrufe, Polizeipfeifen schrillen, und durch den Lärm ist das harte Stakkato von Hufeisen auf Pflastersteinen zu hören.
    Vivian reckt den Hals, aber sie ist zu klein, um über die Hüte und Köpfe hinwegzusehen. Der Tumult vorn wird immer lauter, wüstes Gebrüll, Angstschreie, Pferde wiehern. Emmeline packt ihre Hand fester und ruft ihr ins Ohr: » Berittene Polizei! Sie wollen uns nicht durchlassen!« Sie zieht sie nach rechts. » Los, weg hier, raus aus dem Gedränge!« Das wird nicht leicht, Frauen drängen von vorn nach hinten, von hinten wollen sie nach vorn, ein schreckliches Durcheinander entsteht. Vivians Jacke wird halb heruntergerissen, ihre Haare sind zerzaust, und wo ist der Hut?
    » Mein Hut!«, ruft sie, » Emmy, mein Hut ist weg!« Aber Emmeline läßt sie nicht los und zerrt sie weiter, bis sie die Ecke zur Regent Street erreicht haben und, an eine Hauswand gedrückt, einen Moment verschnaufen können. Auf dem Platz vor ihnen herrscht das reinste Chaos. Frauen rennen schreiend durcheinander, Männer prügeln mit Stöcken und Schirmen auf sie ein, dazwischen traben berittene Polizisten, lange Knüppel in den Fäusten und Pfeifen im Mund, die unaufhörlich schrillen. Jetzt fliegen Flaschen, einige Frauen wehren sich. Emmeline zieht sie um die Ecke und fängt an zu laufen, ein paar Schritte nur, dann in einen Eingang. Dicht an die verschlossene Tür gedrückt, heftig atmend, stehen sie da und hoffen, daß keiner der wildgewordenen Männer auf sie losgeht. Ein Dutzend Frauen hastet vorbei, die hinderlichen Röcke mit den Händen hochhaltend, um schneller laufen zu können. Emmeline will sich ihnen anschließen. » Komm mit!«, ruft sie, und sie eilen hinterher. Verängstigt läßt sie sich in Emmelines Sog mitreißen.
    In der breiten Straße stauen sich Schlangen von aufgehaltenen Fuhrwerken, Bussen und Cabs, und hier vorn ist sie zudem übersät mit Hüten, zerknickten Schirmen, weggeworfenen Protestschildern und Pferdeäpfeln. Schaulustige säumen den gegenüberliegenden Bürgersteig, und aus fast allen Fenstern spähen neugierige Gesichter.
    Vor der Einmündung der Jermyn Street haben sie die flüchtenden Frauen fast eingeholt, als plötzlich drei Constables um die Ecke biegen und sich ihnen mit ausgebreiteten Armen in den Weg stellen. » Holla, Ladys, wohin so eilig?«
    Zwei packen Emmeline an den Armen, einer greift nach Vivian, ein gemeines Grinsen unter dem ausgefransten Schnurrbart. Sie kreischt und schlägt um sich, aber der Kerl dreht ihr den Arm auf den Rücken, bis sie laut aufschreit. Unter dem Gejohle männlicher Passanten zerren die Polizisten sie die Straße entlang, zu einer geschlossenen schwarzen Kutsche mit dem Wappen der Metropolitan Police an der Seite. Ein Gefangenenwagen mit einem kleinen vergitterten Fenster in der Tür. Roh werden sie hineingestoßen. Drei Frauen mit angstgeweiteten Augen sitzen schon auf den harten Holzbänken, einer laufen die Tränen über die Wangen. Die

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