Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Spione gehört, die für eine geplante Invasion unsere Insel auskundschaften sollen? Seit Jahren spricht man davon.«
Drummond nickt. » Ja, Sir, ich habe davon gehört.« Das ist doch alles alter Käse, denkt er, und riecht obendrein nach Le Queux.
» Gut, Mr. Drummond. Sie wissen also Bescheid. Nun zur Sache: Captain Kell hat mir gegenüber angedeutet, daß sich Umstände ergeben könnten, die es geraten erscheinen lassen, daß einer seiner Detektive einer verdächtigen Person auch ins Ausland folgt. Dafür kämen auch Sie in Frage.«
Er lehnt sich zurück, trommelt mit den Fingern der linken Hand einen kurzen Wirbel auf die Schreibtischplatte und will wissen: » Sprechen Sie Deutsch?«
» Nur ein wenig«, erwidert Drummond, » ich verstehe einiges, aber ich kann nicht behaupten, daß ich es fließend spreche.«
» So. Nun, das ist schade.« Major Edmonds schiebt die Unterlippe vor und überlegt.
» Hm. Haben Sie Verwandte oder Freunde in Deutschland?«
» Nein, Sir.«
» Kein Mädel oder so was?«
» Nein, Sir«, antwortet Drummond und denkt, was meint er mit so was? Sein Mund will sich zu einem Grinsen verziehen, er preßt aber noch rechtzeitig die Lippen zusammen.
» Aha. Beruhigend. Nun gut, was ich Ihnen zu sagen habe, ist folgendes: Sollte Sie ein dienstlicher Auftrag nach Deutschland führen, so sind Sie hiermit verpflichtet, neben Ihrer eigentlichen Aufgabe alles, ich wiederhole alles, was unserem Lande von Nutzen sein könnte, jede Information, sei sie in Ihren Augen noch so unwichtig, in Ihren Bericht aufzunehmen. Ihr Bureau wird diese Informationen dann unverzüglich an meine Abteilung weiterleiten. Haben wir uns verstanden?«
» Ja, Sir. Ich werde daran denken, Sir.«
» Denken Sie nicht nur daran, handeln Sie danach!«
» Ja, Sir!«
London, Cecil Court, 19. Februar 1912, Montag
Drummond zieht seinen Mantel an und verabschiedet sich vom Besitzer des Kameraladens. Sie haben sich längst aneinander gewöhnt, unterhalten sich über alles mögliche, und manchmal hilft Drummond ihm sogar im Geschäft, wenn sich gegenüber nichts tun will. Er tritt auf die Gasse hinaus und schlägt den Mantelkragen hoch. Es ist kühl und neblig. Im Bookshop brennt Licht, Peterman wird allein in seinem Kontor sitzen, denn die Tochter ist im College.
Wieder fällt ihm Emmeline ein. Er muß fast jeden Tag an sie denken. Seit dem zweiten Oktober hat er sie nicht mehr gesehen. Über vier Monate ist das jetzt her, und sie will ihm dennoch nicht aus dem Kopf. Er weiß immer noch nicht, wo sie wohnt, und kann nur vermuten, daß sie bei diesem Lady Couriers and Guides Service arbeitet. Das ist gleich da vorn um die Ecke. Er hat sich angewöhnt, morgens und abends dort vorbeizugehen, manchmal auch mittags, wenn er sich etwas zu essen holt, ist ihr aber nie mehr begegnet.
Der Nebel ist nicht besonders dicht, die Häuser gegenüber sind gut zu sehen, aber wenn er die Straße hinunterblickt, verliert sich alles im Grau. Darin schwimmen die zahllosen Lichter der Straßenlaternen, Busse, Cabs und Autos. Da ist die No. 4, das Geschäftshaus ist hell erleuchtet, und gerade kommt eine Schar Leute heraus. Er weicht einem älteren Herrn aus und stößt deshalb mit jemandem zusammen.
» Oh! I beg your pardon!« sagt er, zieht den Hut und sieht sich Emmeline gegenüber.
» Nichts passiert«, sagt sie freundlich und will an ihm vorbei, aber dann bleibt sie stehen und sieht ihn an. » Sagen Sie, Sie kommen mir bekannt vor– ah, jetzt weiß ich’s, ich habe Sie öfter mal im Cecil Court gesehen, kann das sein?«
» Gut möglich«, erwidert er, » ich besuche gelegentlich die Petermansche Buchhandlung dort.«
» Ach! Dann kennen Sie womöglich auch seine Tochter, Vivian?«
» Nur vom Sehen. Sie dürfte jetzt im College sein, nicht wahr? Sind Sie mit ihr bekannt, Miss… äh?«
Sie lacht. » Mein Name ist Riley, Emmeline Riley. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Zum Teufel mit der Geheimhaltung, denkt er, jetzt oder nie, und lüftet noch einmal den Hut. » Randolph Drummond, Miss Riley, entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen!«
London, Piccadilly, 1. März 1912, Dienstag
Ein Meer von Damenhüten wogt in der Piccadilly, so weit Vivians Auge reicht. Banner und Schilder schwanken über der Menge, die sich am Geologischen Museum vorbei zäh und unaufhaltsam in Richtung Piccadilly Circus schiebt. Ab und zu wächst aus Rufen, Kreischen und Schreien ein lauter Chor: » Votes for Women!« oder » Taten statt Worte!« und geht
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