Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Tür knallt zu. Ein Ruck, die Pferde ziehen an, der Wagen rollt. Vivian ist starr vor Angst. Vater, denkt sie, Vater. Und Adrian. Adrian, hilf mir!
Vor dem New Bow Street Police Court werden sie alle ausgeladen und in das Polizeigericht gebracht. Vor einem schnauzbärtigen Sergeant muß jede Name und Adresse angeben, dann führt man sie in eine große, fensterlose Zelle, in der bereits zwölf Frauen warten.
Nach einer Weile stellen sie sich gegenseitig vor, trösten die Weinenden und erzählen sich im Flüsterton ihre Erlebnisse. Eine gut gekleidete und stolze Dame, bestimmt schon über vierzig, erzählt, wie sie mit einem Trupp von vielleicht sechzig Frauen bis in die Downing Street vorgedrungen ist, wo sie sämtliche Fensterscheiben der Wohnung des Premierministers eingeworfen haben, aber dann von der Polizei gejagt wurden. Dabei ist sie festgenommen worden und harrt nun mit ihnen der Dinge, die da kommen sollen. Aber es vergehen fast zwei Stunden, bis sich die Tür zum erstenmal öffnet. Die Dame, die in der Downing Street war, wird herausgerufen. » Viel Glück, ihr Lieben!«, ruft sie über die Schulter, bevor sich die Tür wieder schließt. Dann wird alle Viertelstunde eine von ihnen herausgeholt.
» Was machen die mit uns?«, fragt Vivian, ihre Stimme zittert, und ein geschminktes Mädchen, das eine Prostituierte sein könnte und so etwas anscheinend nicht zum erstenmal erlebt, antwortet: » Ach, die führen uns bloß dem Polizeirichter vor. Der entscheidet, ob wir freigelassen werden oder verurteilt. Meistens gibt’s ein paar Tage Gefängnis, das ist alles. Also keine Angst.«
Vivian ist entsetzt. Gefängnis? Um Himmels willen! Sie faßt nach Emmelines Hand, aber da geht die Tür auf und eine barsche Stimme ruft: » Miss Emmeline Riley! Los, aufstehen! Mitkommen!« Emmeline flüstert hastig: » Hab keine Angst, sie lassen dich bestimmt frei, weil du so jung bist.« Dann ist sie weg. Vivian treten die Tränen in die Augen, ihr Herz klopft wie verrückt.
Schließlich ist auch sie dran. Ein Constable führt sie in ein kleines Sitzungszimmer ohne Zuschauerbänke. Hinter einem hohen Pult thront der Polizeirichter, ohne Perücke, aber in Uniform, die Schirmmütze vor ihm auf dem Tisch. Daneben steht eine dicke Frau mit einem Bulldoggengesicht. Auf Stühlen neben der Tür sitzen zwei Herren in Mänteln, ihre Hüte auf den Knien. Der Constable bleibt vor der Tür stehen. Sonst ist da niemand.
» Miss Vivian Peterman? Treten Sie vor!«
Sie tritt vor den Tisch.
» Wie alt sind sie?«
» Achtzehn«, sie zögert, dann fügt sie » Sir« hinzu.
» Eltern?«
» Nur mein Vater. Mutter ist tot.«
Sie wird befragt, was sie während der Demonstration getan hat, und sie antwortet: » Nichts. Überhaupt nichts. Ich bin mit meiner Freundin spazierengegangen, in der Regent Street, und plötzlich haben uns Polizisten gepackt und mitgenommen.«
» So. Na, das habe ich heute schon dreißigmal gehört.« Er schaut zu den beiden Herren hinüber, Vivian folgt seinem Blick und sieht, wie der ältere kurz nickt.
» Gut«, sagt der Richter, » Miss Peterman, aufgrund Ihrer Jugend spreche ich Ihnen hiermit in aller Form eine Verwarnung aus. Nehmen Sie noch einmal an einem solchen Aufruhr teil, werden Sie nicht mehr so leicht davonkommen. Ist das klar?« Er blickt sie mit strenger Miene an.
» Ja, Sir.«
» Sie können gehen, aber vorher wünschen diese Herren noch, mit Ihnen zu sprechen.«
» Was ist mit meiner Freundin?« fragt sie mit bebender Stimme.
Der Richter runzelt die Stirn, aber er fragt: » Wie heißt die Dame?«
» Emmeline Riley, Sir. Sie war vor mir dran.«
» Miss Riley. Richtig. Zu einer Woche Haft verurteilt.«
Die Herren sind aufgestanden, und der ältere sagt: » Kommen Sie mit, Miss Peterman.«
Auf dem Flur muß sie auf einer Bank Platz nehmen. Der ältere der beiden führt das Wort. Er hat ein mißmutiges Gesicht, einen gelbbraun verfärbten Schnurrbart und stützt sich auf einen Spazierstock. Der jüngere steht ein wenig abseits und sagt kein Wort.
» Was macht Ihr Vater?« will der Alte wissen.
» Mein Vater ist Buchhändler. Er hat ein Geschäft im Cecil Court, Sir.«
» Ihr Vater ist in Deutschland geboren, stimmt das?«
» Ja. Aber was hat das mit mir zu tun?«
» Ich stelle hier die Fragen. Sie antworten nur, verstanden?«
Sie sieht ihn an und sagt nichts.
» Fährt Ihr Vater öfter nach Deutschland?«
Sie sieht ihn nur schweigend an.
» Bekommt Ihr Vater öfter Besuch aus
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