Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
er eine Autogarage finden könne, und man empfiehlt ihm eine am Hamilton Place, nahe am Royal Circus. Sie nehmen ein Cab dorthin und finden sich vor einem kleinen Ladengeschäft, überschrieben als The St. Stephens Motor & Cycle Depot. Tatsächlich kann Adrian dort ein Automobil mieten. Der Inhaber fährt es aus dem Hof vor den Laden, ein großer, weißlackierter Wolseley-Siddeley-Tourer mit Klappverdeck und kastanienbraunen, dick gepolsterten Ledersitzen. Der Wagen ist erst zwei Jahre alt und bietet vier Personen Platz. Als Fahrtziel gibt Adrian einen Ausflug in die Pentland Hills an. Der Vermieter schlägt seinen Mechaniker als Fahrer vor, aber das lehnt er ab und hinterlegt statt dessen die hohe Kaution von 38 Pfund, zehn Prozent vom Neupreis des Wagens. Er hat ihr in Kiel schon erzählt, wie er fahren gelernt hat; jetzt läßt er sich genau zeigen, wie dieser englische Wagen zu bedienen ist.
Gestern abend waren sie in Edinburgh angekommen. Während der schier endlos langen Fahrt hatte Adrian ihr auch von seinem ersten Besuch in Rosyth erzählt, als er herausfinden sollte, ob der Bau der Naval Base dort Fortschritte mache. Er hatte ihr auch geschildert, wie er die Detektive am Bahnhof bemerkt und befürchtet hat, sie könnten nach ihm Ausschau halten.
Doch als sie durch die Waverley Station zum Ausgang gingen, fiel ihnen niemand auf, der ein Detektiv hätte sein können. Nur die üblichen Constables standen herum. Keiner durchbohrte sie mit mißtrauischen Blicken, und sie hatten die Halle verlassen, Arm in Arm, ohne angehalten zu werden. Das fand sie schon ganz schön spannend, wenn auch ein unbehagliches Gefühl dabei war. Sie hatten sich dann ein Zimmer im Old Ship Hotel genommen, fast gegenüber vom Bahnhof, und nach dem Abendessen waren sie aufs Zimmer gegangen und, obwohl erschöpft von der langen Reise, übereinander hergefallen. Das hatte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht so vorgestellt. Sie blickt zu Adrian hinüber, der fast distanziert am Steuer sitzt und durch den Verkehr navigiert.
Das Fahren im offenen Automobil macht ihr Spaß. Ihren Hut hat sie mit dem Schal festgebunden und genießt den Fahrtwind. Das Wetter ist sonnig und trocken, und auf der unbefestigten Straße nach Queensferry ziehen sie eine lange Staubfahne hinter sich her.
» So ein Auto macht alles einfacher«, ruft er ihr durch den Lärm des Motors zu, » alles ist ganz leicht erreichbar, wenn nur eine halbwegs brauchbare Straße hinführt. Benzin kann man in jeder Apotheke kriegen, in größeren Ortschaften gibt es sogar Petrol-Stations, die verkaufen auch Ersatzpneus, Schmieröl und Karbid für die Lampen und führen notfalls Reparaturen aus.«
» Und keine Bahnhöfe mit wachsamen Detektiven mehr«, brüllt sie zu ihm hinüber.
Nach ein paar Meilen erreichen sie Cramond, eine kleine Ortschaft etwa in der Mittezwischen Edinburgh und Queensferry. Dort hält Adrian vor dem einzigen Hotel an. Es nennt sich Barnton Hotel und ist ein verwinkeltes, zweistöckiges Gebäude mit einem dreistöckigen Turm in der Vorderfront. Daneben, zu ebener Erde, ist die Gaststube als Anbau aus dunklem Holz untergebracht, mit großen Fenstern und von einem spitzen Turmdach gekrönt. Mit dem grünen Dach, Mansardenfenstern, Türmchen, Ziergittern und Kaminen bietet das Haus einen romantischen Anblick. Es gefällt ihr auf Anhieb.
Sie fragen nach einem Doppelzimmer für die kommenden vier oder fünf Tage und bekommen ein recht hübsches im Dachgeschoß. Ihr Gepäck lassen sie hier und tragen sich als angeblich Jungvermählte ein, Mr. und Mrs. Stewart. Sie trinken Kaffee und bekommen ein paar Sandwiches dazu, dann fahren sie weiter und sind eine Viertelstunde später in Queensferry an der großen Eisenbahnbrücke über den Forth-River.
South Queensferry, 16. Oktober 1912, Mittwoch
Seiler stellt den Wolseley am Ortseingang von South Queensferry ab, wo er sofort von neugierigen Buben umringt wird. Dem größten von ihnen gibt er einen Sixpenny, damit er auf den Wagen aufpaßt, und verspricht ihm einen zweiten, wenn er zurückkommt und alles in Ordnung ist. Dann gehen sie zum Anleger hinunter und warten auf die Fähre.
Während der kurzen Überfahrt sieht er, daß der Ausbau des Flottenstützpunktes nach über einem Jahr nur wenig fortgeschritten ist, aber die Fahrwasserstraßen sind jetzt deutlich mit Tonnen markiert. Eine weite Wasserfläche in der Mitte des Forth River vor St. Margaret’s Bay scheint mit etwa zwanzig Festmachtonnen als
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