Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Liegeplatz für große Schiffe vorgesehen. Zwei Kleine Kreuzer liegen dort an der Kette, und ein gutes Stück hinter ihnen zählt er fünf Torpedobootszerstörer. Die Kreuzer wirken mit ihren drei nach achtern geneigten Schornsteinen schnell und elegant. Ihre Namen lassen sich auf die Entfernung nicht lesen. Er schätzt, daß es Scouts sind, vielleicht Pathfinder und Patrol. Das Taschenbuch der Kriegsflotten hat er nicht mitgenommen, es wäre zu verräterisch, falls man es bei ihm fände. Photographieren will er sie nicht, das würde den anderen Fahrgästen auffallen. Er schreibt eine verklausulierte Notiz in sein Büchlein, während Vivian ihm neugierig über die Schulter blickt. Sein Interesse sollte besonders britischen U-Booten gelten, doch von der Fähre aus sind keine zu sehen. Falls welche im Hafenbecken liegen, wären sie hinter der Kaimauer verborgen. Jedenfalls sind hier keine großen Kriegsschiffe, und bei den beiden Kreuzern scheint es sich nur um Bewachungskräfte zu handeln.
Es fällt ihm auf, daß im Gegensatz zu seiner ersten Visite jetzt mehrere Schleppdampfer in dem neuen Hafenbecken von Rosyth liegen. Vor St. Margaret’s Bay ankert sogar ein Hochseeschlepper mit zwei Schornsteinen. Und auf der Kohlenpier in der Nähe der Burgruine reichen die hohen Kohlenberge Hunderte von Metern weit. Nicht weit davon wird ein großer Öltank errichtet. Auf dem Hang oberhalb der Baustelle entdeckt er etwas, das eine Küstenbatteriestellung sein könnte, sie scheint aber noch ohne Geschütze zu sein.
Drüben angekommen, wandern sie auf die Brücke zu. Vivian hat im Manchester Guardian gelesen, daß es tatsächlich die größte Eisenbahnbrücke der Welt ist. Zwischen ihren Brückenköpfen ist sie zweieinhalb Kilometer lang. Sie überredet ihn, auf ihr hinüberzugehen, obwohl er das riskant und verdächtig findet. Aber für ein übermütiges junges Ehepaar mag es vielleicht durchgehen, außerdem dürfte sich von dort oben ein guter Überblick über Rosyth bieten, so daß sie sich nicht in der Nähe der Basis herumtreiben müssen. Also erklimmen sie die steile Straße, die hinauf zur Bahnstrecke führt. Von hier gelangen sie an den Gleisen entlang auf die Brücke, die unbewacht ist. Nur ein Schild warnt: Danger! Do not cross beyond this point!
Links und rechts neben den beiden eng beisammenliegenden Schienensträngen befinden sich schmale, asphaltierte Gehwege. Vor und über ihnen das immense, verwirrende Gitterwerk der gewaltigen Tragkonstruktion. Hier oben bläst ein kräftiger Wind von See her und zerzaust ihnen die Haare. Aber die Sicht aus dieser Höhe ist atemberaubend. Links geht der Blick über die weite Forthmündung mit den Inseln Inchcolm und Inchkeith, bis er sich im leichten Dunst über der offenen See verliert. Und auf der anderen Seite die Reede von St. Margaret’s Hope und die Hafenanlagen von Rosyth, dahinter sanft gewelltes Hügelland mit grünen Wiesen, orange und braun verfärbten Laubwäldern.
Endlos scheint der Weg hinüber. Sie haben noch nicht die Mitte erreicht, als sie hinter sich den Pfiff einer Lokomotive hören. Ein singender Ton steigt aus den Schienen, ein leises Zittern ist unter den Sohlen zu spüren. Ein Expreßzug braust heran, auf dem Gleis auf ihrer Seite. Fünfzig Meter über dem Wasser drücken sie sich an das kaum brusthohe eiserne Geländer und halten sich fest. Rasend schnell kommt das hektische Wummern der Lokomotive näher. Eine klirrende Erschütterung eilt dem Zug voraus. Ein Luftstoß, der Fahrtwind reißt an ihren Haaren und Kleidern, Dampf und Qualm hüllen sie ein. Vivian packt seinen Arm und kreischt, aber es scheint, als kreische sie vor Begeisterung. Ihre Haare wehen wild durcheinander, ihre Augen leuchten, sie schreit etwas, aber der vorbeidonnernde Expreß verschluckt jedes Geräusch, Stahl dröhnt auf Stahl. Mit einem Schlag ist der Zug vorbei, Staub und Rauchfetzen wehen hinter ihm her.
Vivian fällt ihm lachend um den Hals, und sie küssen sich leidenschaftlich. Erst als sich ihr Atem und Herzschlag beruhigt haben, steigen sie über die Schienen auf die andere Seite hinüber und gehen weiter zum südlichen Brückenkopf. Bei einem Blick übers Geländer entdeckt er die Sperrkette, die im Kriegsfall den inneren Teil des River Forth absperren soll. Die Kette selbst sieht er nicht, aber er sieht die Schuppen, in denen sie untergebracht sein muß, und die schweren Winden davor, dazu kräftige Poller und dicke Kabelrollen. Mit der Kodak Brownie macht er zwei
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