Verdeckt
Frühstück erschienen. Es fiel ihr schwer, ihm ins Gesicht zu schauen. Sich mit Alex zu unterhalten, war im Moment einfacher. Nervös löcherte sie ihn mit Fragen über sein Haus und den Garten. Seine Antworten bestanden meist nur aus einem oder zwei Worten. Alex hatte einen kurzen Ausflug zu Starbucks gemacht. Der Gute. Sie fing an, den stillen Mann zu mögen. Ans Spülbecken gelehnt blies er in seinen Kaffee.
Jack beendete ein Telefongespräch mit Detective Callahan und starrte danach still in seinen Becher. Einen Kater schien er nicht zu haben. Überhaupt merkte man ihm eigentlich nicht an, dass er betrunken gewesen war. Seit dem Morgen knisterte die Luft zwischen ihnen noch heftiger als zuvor. Er hatte sie bei sich im Bett haben wollen und sie hatte sich dasselbe gewünscht. Die wohlige Wärme tief unten in ihrem Bauch verstärkte sich. Lacey befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Sie und Jack befanden sich auf Kollisionskurs. Warum kämpfte sie dagegen an?
Das Gespräch mit Callahan schien ihn zu beschäftigen.
»Die Detectives verfolgen eine Spur.«
»Ich hoffe, nicht nur eine!«
Er ignorierte ihren Sarkasmus. »Sie haben DeCostas Mutter im Südosten von Oregon aufgespürt und wollen nun von ihr wissen, wo ihr anderer Sohn ist.«
Lacey versuchte, sich Dave DeCostas jüngeren Bruder ins Gedächtnis zu rufen – mit mäßigem Erfolg. Sie erinnerte sich nur an einen stillen, dunkelhaarigen Jungen, der während des Prozesses seiner Mutter nicht von der Seite gewichen war. »Er war damals noch fast ein Kind. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Was es genau war, weiß ich nicht mehr, aber die Polizei schloss ihn als möglichen Komplizen seines Bruders mit größter Wahrscheinlichkeitaus. Ich glaube, der Junge hatte eine geistige Behinderung. DeCosta hat allein gemordet. Keine Familie. Keine Freunde.« Laceys Worte klangen sicherer als sie sich fühlte. Denkbar war alles. DeCostas Bruder war zur Zeit des Prozesses jünger gewesen als sie. Vierzehn oder fünfzehn vielleicht.
»Callahan meint, Rache könnte ein Motiv sein. Damit kämen die Mutter und der Bruder infrage.«
»Mutter und Sohn?« Lacey schüttelte den Kopf. Bei den Verhandlungen hatte Linda DeCosta ausgesehen, als könnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Und diese Frau sollte eine Mörderin sein?
Jack nickte.
Lacey bemerkte den granitharten Zug um sein Kinn.
Trotzdem schüchterte er sie nicht ein. Zumindest nicht, solang er voll bekleidet vor ihr saß. Jack konnte gelegentlich geradezu beängstigend wirken, doch sie wusste, dass er ihr nie etwas zuleide tun würde. Nachdenklich nahm sie einen Schluck Kaffee. Wenn er sich über sie ärgerte, würde er ihr sicherlich ordentlich den Kopf waschen. Aber nie, niemals würde er die Hand gegen sie erheben. Diese Gewissheit hatte sie bei ihrem Exmann am Ende ihrer Ehe nicht mehr gehabt.
»Hat er etwas über Kelly gesagt? Kommen sie bei der Suche weiter?« Lacey hielt gespannt die Luft an.
Jack schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts Neues. Vielleicht findet die Polizei ja bei DeCostas Familie den entscheidenden Hinweis.«
Alex warf einen Blick auf die Uhr. Jack stand auf und schob seinen Stuhl an den Tisch. Auch er hatte die Bewegung bemerkt.
»Wohin gehen wir?« Lacey drückte den Deckel auf ihren Becher.
»An einen Ort etwas südlich von Hood River.«
»Hood River? Südlich? Da ist doch der Berg. Bei dem Schnee?« Lacey ließ beinahe den Pappbecher fallen. Von der Ortschaft Hood River war es nur ein Katzensprung bis zum Mount Hood.
Jack hob eine Augenbraue. »Im Moment schneit es überall.«
»Ja. Aber …« Lacey beließ es dabei. Ihn umstimmen zu wollen, wenn er so entschlossen guckte, war aussichtslos. Das hatte sie bereits gelernt. Wenn er wirklich eineinhalb Stunden lang durch dieses Hundewetter an einen Ort fahren wollte, wo das Wetter noch scheußlicher war – bitte.
»Fahrt ihr zur Hütte?« Alex griff nach der Macy’s-Einkaufstüte mit Kleidern, ihrem einzigen Gepäckstück.
»Hütte?« Das klang nach einem Bretterverschlag ohne Wasser und Strom. Eindeutig nichts für sie. »Aber warum denn? Gibt es kein Hotel, wo wir …« Jacks Blick sorgte dafür, dass sie sich den Rest der Frage sparte.
»Es ist die Berghütte der Firma. Dahin gehen wir.«
»Aber wieso denn?« Lacey hatte ihr Rückgrat wiederentdeckt. Sie hielt Jacks Blick stand.
Sag jetzt bitte nichts von einem Plumpsklo.
»Fällt dir etwas Besseres ein? Wir wissen beide, dass wir nicht in ein Hotel einchecken
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