Verdeckt
Vorübungen und mit der Vorbereitung dieser Sache hatte er einen beträchtlichen Teil seines Lebens verbracht. Auf keinen Fall würde er jetzt in einem einzigen schwachen Moment alles kaputtmachen.
Er entspannte seinen Geist und löste die verkrampften Hände.
Kontrolle.
Das Machtgefühl durchflutete ihn wie eine Welle, erinnerte ihn an das erste Mal, als er verstanden hatte, was man mit Disziplin erreichen konnte.
Er war sicher nicht älter als neun oder zehn gewesen, als er den Hund an den Baum gebunden hatte. Tief im Wald, weit weg vom Haus. Und dann hatte er zugeschaut.
Zugeschaut, wie der Hund vor Hunger und Durst schwächer geworden war. Wie er an der Kette gekaut hatte, bis ihm die Lefzen bluteten. Wie seine Augen tief in den Schädel sanken, trüb und leblos wurden.
Als es vorbei war, hatte er sich den Körper genau angesehen, überlegt, ob er ihn ein bisschen sezieren sollte. Doch der Zustand der Kreatur und der widerliche Gestank stießen ihn ab. Der tote Hund war ein scheußliches, dreck- und blutverkrustetes Bündelvoller offener Wunden. Sogar an seinem eigenen Fleisch hatte der Setter genagt. Der Boden um den Kadaver war voller Löcher, die der Hund gegraben hatte. Vielleicht weil er glaubte, so könnte er fliehen.
Blödes Vieh.
Er war so stolz gewesen, dass er seine Gefühle die ganze Zeit im Griff hatte. Egal wie gern er das Tier freilassen wollte, er war stark geblieben und hatte seine Bedürfnisse unterdrückt. Den Hund loszubinden, wäre ein Akt der Schwäche gewesen. Versagen. Der Erfolg versetzte ihn in einen Rausch von Macht.
So tötete er zum ersten Mal.
Sein Vater hatte seine Mutter nie geheiratet. Er gab ihr Geld aus und wohnte in ihrem Haus, betrachtete sie und ihre Kinder als seine persönlichen Sklaven.
Hol mir ein Bier. Verzieh dich.
Eines Tages war sein Vater verschwunden. Hatte seine Klamotten und einen alten Truck zurückgelassen. Er verstand nicht, warum es so wehtat, von dem Mann, den er gehasst hatte, verlassen zu werden. Kurz nachdem sein Vater gegangen war, tötete er den Hund.
»Hast du genug, Süßer?« Die schläfrige Stimme der Nutte riss ihn aus seinen Gedanken, aus seiner Reise in die Vergangenheit.
»Nein. Ich fange grade erst an.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Es gab noch viel zu tun.
N EUN
»Du musst dich von diesem Harper fernhalten. Er steckt knietief in der … Du-weißt-schon. Die Polizei interessiert sich jedenfalls brennend für ihn.« Michael schäumte.
»Er hat niemanden umgebracht! Er hatte nur ein paar Dates mit einem der Opfer«, konterte Lacey.
»Und gehörte eine Zeitlang zum Kreis der Verdächtigen. Und
jetzt
taucht die Leiche eines anderen Opfers unter seinem Gebäude auf? Dazu noch die Dienstmarke. Wie praktisch ist es denn, dass die Marke seines ermordeten Partners auf seinem Grund und Boden gefunden wurde?«
»Kein bisschen, wenn du mich fragst! Glaubst du, er hat sie dorthin gelegt, damit die Polizei sich endlich mal wieder mit ihm beschäftigt? Er ist kein Idiot.«
Lacey saß auf der Arbeitsplatte in ihrer Küche – Nase an Nase mit Michael, der mal wieder kein Blatt vor den Mund nahm. Aus Erfahrung wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, sich mit ihm zu streiten. Er gab niemals nach. Selbst wenn er sich komplett im Irrtum befand und es wusste. Trotzdem wollte sie sich nicht geschlagen zu geben. Und dann dieses
Du-weißt-schon
! Das machte sie rasend. In ihrer Gegenwart achtete er immer peinlich darauf, keine schmutzigen Worte zu benutzen.
Als würde sie gleich eingehen wie eine Primel.
Schon aus Trotz flocht sie immer jede Menge anstößiger Ausdrücke ein, wenn sie mit ihm sprach. »Deine Haare sind schon wieder scheißlang«, sagte sie missbilligend. »Soll ich dir einen Termin beim Friseur besorgen?«
Michael stürmte aus der Küche. Er war groß und schlank und sah mit seinem stets etwas zu langen, dunkelblonden Haar aus wie ein Künstler. Oder wie ein Poet. So lässig, wie er sich gab, wäre nie jemand auf die Idee gekommen, dass er sich zwei Jahre lang mit einer berüchtigten Motorradgang in Los Angeles herumgetrieben hatte. Hinter der Maske des Bohemiens verbarg sich ein kluger Kopf mit einem verblüffend starken Körper.
Michael war vermutlich der intelligenteste Mensch, den Lacey kannte. Dazu scharfsinnig, gerissen und draufgängerisch. Nicht immer die beste denkbare Kombination. Er hatte ein paar Artikel über die Mitgliedschaft in Motorradgangs geschrieben – also wurde er selbst ein Rocker. Er wollte
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