Verdeckt
dürfen wir uns diese Begegnung vorstellen?«
»Unangenehm.« Harper sah Dr. Campbell entschuldigend an. »Er hat sie vor etwa fünfzig Leuten eine hinterhältige Schlampe genannt. Laut und deutlich.«
»Name?« Ray machte sich in aller Ruhe Notizen.
»Frank Stevenson«, antwortete Harper, bevor Lacey überhaupt den Mund aufmachen konnte.
Mit was für einem Widerling war sie denn bloß verheiratet gewesen?
Mason musterte Dr. Campbell, die immer noch den Kopf schüttelte.
»Frank kann es nicht sein. Er ist ein Arsch, aber kein Killer.«
»Wann waren Sie denn mit ihm verheiratet? Wusste er von DeCosta und Suzanne?«
Dr. Campbell nickte. »Frank und ich waren während des College zusammen. Wir heirateten in dem Jahr … nach Suzannes Verschwinden.« Sie schluckte, doch ihre Augen zeigten, dass sie sich im Griff hatte. »Wir waren damals alle miteinander befreundet. Frank begleitete unser Team zu fast allen Wettkämpfen. Jeder kannte ihn.«
»War er auch mit bei dem Wettkampf in Corvallis?«, fragte Mason.
In Dr. Campbells Zügen blitzte Ärger auf. »Ich habe in der Nacht damals DeCostas Gesicht gesehen. Ich habe gesehen, wie er sich Suzanne geschnappt hat. Das war nicht Frank!«
»Das behaupte ich auch nicht. Ich möchte nur gern wissen, wo er sich während gewisser Ereignisse aufhielt. Dank der DVD wissen wir jetzt, dass damals an den Taten mindestens zwei Personen beteiligt waren. Während der eine im Gefängnis saß, drehte der andere den Film.« Masons Magen brannte. Vor zehn Jahren hatte er irgendetwas übersehen. Wie hatte er so naiv sein können, zu glauben, mit DeCostas Verhaftung wäre alles vorbei? Hier hatten sie den Beweis, dass Suzanne auch Monate nach seiner Festnahme noch am Leben gewesen war und dass es einen weiteren Beteiligten an ihrer Entführung gab. »Ihr Exmann weiß also, wo Sie gestern Abend waren. Und ich nehme an, Ihre Adresse kennt er auch.«
Dr. Campbells Nicken wirkte ziemlich steif. Sie nahm anscheinend an, dass er sich in etwas verrannte. Aber im Augenblick war jeder, der irgendwie mit ihr Kontakt aufnahm, ein potenzieller Verdächtiger. Umso mehr, wenn es sich dabei um einen Spinner handelte.
»Ich denke nicht, dass er den Clip von gestern Abend gedreht hat«, warf Harper ein. »Ich habe Stevenson gestern gesehen. Als wir plötzlich vor ihm standen, war er ziemlich schockiert. Dass er uns zum Truck gefolgt ist, kann ich mir nicht vorstellen. Schon gar nicht mit seiner derzeitigen Ehefrau im Schlepptau.« Die Worte klangen sicher, doch Mason sah einen Anflug von Zweifel in Harpers Augen.
Mason fixierte den anderen Mann. »Dieser Verrückte könnte Sie jetzt auch im Visier haben. Dem, der den Film gemacht hat, hat der Kuss ganz und gar nicht gepasst.«
Dr. Campbell sog geräuschvoll die Luft ein.
»Soll das heißen, unser rätselhafter Kameramann hat eine Schwäche für Dr. Campbell?« Ray verzog nachdenklich das Gesicht. Mason hörte die Zahnräder im Kopf seines Partners ineinandergreifen. »Vielleicht ist das ein Vorteil.«
Mason wusste genau, was Ray meinte, aber nicht laut aussprach.
Wenn der Kerl auf Dr. Campbell stand, brachte er sie vielleicht nicht um.
Zumindest nicht gleich.
»So wie für Suzanne?« Dr. Campbell spuckte die Worte aus. Auch sie hatte verstanden, was Ray angedeutet hatte. »Wozu seine Schwäche für sie geführt hat, sehen wir ja.« Sie schlug mit beiden Handflächen auf den Tisch. »Wo ist das Baby? Wie kommt es, dass ich mir als einzige Gedanken über dieses Kind mache?«
»Erstens wissen wir nicht, ob es überhaupt eines gibt. Und zweitens ist die Schwangerschaft, die wir auf der DVD sehen, schon lang her. Im Gegensatz zu der Drohung gegen Sie.
Die ist absolut aktuell.
« Am liebsten hätte Mason auch noch mit dem Finger auf die Zahnärztin gezeigt.
Dr. Campbell schien etwas ganz anderes zu interessieren. »Vielleicht ist die DVD ja gar nicht alt. Vielleicht hat er Suzanne jahrelanggefangen gehalten, bevor sie schwanger geworden ist.« Sie griff nach Strohhalmen.
Mason schüttelte den Kopf. »Ich habe gestern kurz mit dem Gerichtsmediziner gesprochen. Er vermutet, dass sie seit fast zehn Jahren tot ist.«
»Stand in seinem Bericht, dass sie ein Kind geboren hat?«, fragte Lacey. »Das könnte man nämlich an den Knochen des Beckengürtels sehen.«
»Ach ja?« Allzu überrascht wirkte Mason nicht. Was Anthropologen aus einem Haufen Knochen alles herauslesen konnten, faszinierte ihn immer wieder. »Ob in dem Bericht auch eine
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