Verdeckt
anvertrauen als ihm.« Mit Blicken bat er sie stumm um Einsicht. Sie war keine seiner Angestellten,denen er Anweisungen geben konnte. Sie war eine sture Frau, die sich mehr Sorgen um eine Freundin machte, die vor zehn Jahren ermordet worden war, als um sich selbst.
Die Haustür öffnete sich quietschend. Ein hochgewachsener Mann stand stumm vor ihnen. Hinter ihm brannte Licht, sein Gesicht lag im Schatten. Jack lockerte seinen festen Griff um Laceys Schultern. Gut. Er brauchte die Unterstützung eines anderen Mannes und auf Alex Kinton war Verlass.
Lacey hob das Kinn. »Es tut mir wirklich leid. Er hat mich einfach hierhergeschleppt. Ich möchte mich wirklich nicht aufdrängen. Ich wusste nicht …«
»Schon gut. Er wird seine Gründe haben und er würde für mich dasselbe tun.« Alex’ unterbrach sie mit rauer Stimme. Der Mann hörte sich an, als hätte er seit einer Woche kein Wort gesprochen.
Lacey klappte den Mund zu. Alex’ Ton erstickte ihren Widerstand.
Das Schweigen, das folgte, hing schwer in der kalten Luft. Jack hoffte, dass sie sich endlich einen Ruck geben würde.
»Okay. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …«, sagte sie lahm.
Alex wich einen Schritt zurück und forderte sie mit einer Geste auf einzutreten. Jack gab Lacey einen sanften Stoß. Zögernd machte sie einen Schritt nach vorn.
Lacey gab sich Mühe, ihren Widerwillen zu überspielen. Sie unterzog den Mann einer kurzen Musterung. Umwerfend gutaussehend, war ihr erster Eindruck. Unnahbar und gefühlskalt der zweite. Jack hatte ihr erzählt, dass er und Alex Kinton in derselben Studentenverbindung gewesen und seit dieser Zeit eng befreundet waren. Mit einem matten Lächeln schob Lacey sich an dem großen, stummen Kerl vorbei ins Haus.
Hinter ihr schüttelten die Männer einander die Hände und klopften sich auf die Schultern. Als Lacey sich umwandte, sah sie gerade noch die mechanische Lippenbewegung, mit der Alex so etwas wie ein Lächeln andeutete. Vielleicht waren sie ihm tatsächlich lästig. Jack hingegen schien sich über das Wiedersehen mit seinem Freund aufrichtig zu freuen.
»Hey, verdammt. Schön, dich zu sehen. Wie geht’s?«
»Es geht.«
Männer im Strudel der Gefühle.
Jack steuerte Lacey in den Küchenbereich. Kein weiblicher Touch – nirgends. Alles wirkte kahl. Nichts lag auf den Arbeitsflächen, an Möbeln gab es nur das Nötigste. Keine Bilder an den Wänden. Die einzigen persönlichen Gegenstände waren die Fotos auf dem Kühlschrank. Lacey trat näher. Eines zeigte Alex zusammen mit einem anderen Mann. Ganz offensichtlich sein Bruder. Mit ihrem dunklen Haar und den hellen Augen sahen die beiden einander sehr ähnlich. Die Männer lachten übers ganze Gesicht, doch der Blick des Bruders wirkte seltsam leer. Frauen sah Lacey auf keinem der Fotos.
»Habt ihr Hunger?«
Lacey wollte Alex wirklich keine Umstände machen, aber sie kam vor Hunger fast um. Weil Jack sie auf keinen Fall nach Hause hatte fahren wollen, waren sie kurz zusammen durch einen Kleiderladen gerannt und hatten ein paar Sachen gekauft. An etwas zu essen hatten sie nicht gedacht.
»Klar, Mann.« Jack fand anscheinend nichts dabei, den Kühlschrank seines Freundes zu plündern.
»Ich habe nur nichts im Haus. Soll ich kurz zum Chinesen fahren?« Laceys Magen knurrte so laut, dass beide Männer sie ansahen. Jack mit einem Grinsen, Alex völlig ausdruckslos.
»Ich glaube, das heißt Ja.« Jack legte ihr besitzergreifend die Hand auf die Schulter. Lacey schüttelte sie sofort wieder ab und bemerkte prompt einen Funken von Belustigung in Alex’ Augen.
»Okay. Ich bin gleich wieder da.« Er sah Lacey zum ersten Mal wirklich an. »Den Flur runter und dann rechts ist ein blaues Gästezimmer mit Bad, falls Sie duschen wollen oder so.« Sein Blick huschte kurz an ihr hinab. Dann wandte er sich ab und verließ das Haus.
Lacey hatte das Gefühl, als unzulänglich eingestuft und abgehakt worden zu sein. Unsicher strich sie sich übers Haar. Zuletzt hatte sie gestern Abend vor der Gala geduscht. Anstatt des zerrissenenKleides trug sie die neuen Sachen, die sie im Laden gleich angezogen hatte. Aber Alex hatte sie angeschaut, als hätte sie sich einen dreckigen Autopsiekittel übergeworfen.
Lacey stand da wie ein verwundetes Kätzchen, fand Jack.
»Er kann mich nicht ausstehen.«
»Er kennt dich doch gar nicht.«
»Ja. Aber er hat mir nicht mal die Chance gegeben, wenigstens kurz mit ihm zu reden.«
»Er hat in den paar Minuten mehr mit dir gesprochen
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