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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Trägern und hölzernen Stützbalken. Eine Sackgasse?
    Nein. Ungefähr zwei Schritte hinter ihm, auf dem Weg, auf dem er gekommen war, erkannte er eine Öffnung in der Wand, etwa in Hüfthöhe. Er war einfach daran vorbeigegangen.
    Er lief die zwei Schritte zurück, bückte sich und leuchtete in das Loch. Es war der Durchgang zu einem zweiten Stollen, der in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad abzweigte. Der Lichtstrahl reichte nicht bis ans Ende. Caffery schnupperte. Der schale Geruch von ungewaschenen Kleidern drang ihm in die Nase. »Bist du hier, du Scheißkerl? Wenn ja, dann hab ich dich jetzt.«
    In gebückter Haltung trat er durch die Öffnung, die Hände vor sich ausgestreckt. Sein Rücken und seine Schultern streiften an der Decke entlang. Wieder ein Anzug im Eimer. Der Tunnel führte ungefähr drei Meter weit leicht bergab und mündete dann in eine kleine, ausgehöhlte Kammer. Bevor er sich verbreiterte, blieb Caffery stehen, angespannt in Abwehrhaltung und bereit zurückzuspringen, falls ihm etwas entgegenflog. Das Licht der Lampe tanzte durch die kleine Höhle. Sein Herz hämmerte noch immer wie wild.
    Er hatte recht gehabt: Er befand sich nicht allein hier unten. Doch es war nicht Ted Moon, der ihm Gesellschaft leistete.
    Hastig wich er in den Tunnel zurück und hielt das Funkgerät vor sich ausgestreckt, sodass es Sichtverbindung zum Ausgang hatte. »Äh – Backupteam? Können Sie mich hören?«
    »Yep. Klar und deutlich.«
    »Kommen Sie nicht in den Tunnel. Wiederhole: Kommen Sie nicht in den Tunnel. Ich brauche die Spurensicherung hier unten, und …« Er senkte den Kopf und legte die Finger über die Augen. »Und, hören Sie, schicken Sie auch einen Rechtsmediziner mit.«

53
    D as Team der Spurensicherung war nur zwei Meilen weit entfernt bei einem anderen Einsatz gewesen und traf noch vor dem Arzt ein. Sie riegelten den Eingang ab und stellten Stative mit Leuchtstoffröhren auf, die taghelles Licht in der Höhle verbreiteten. In ihren weißen Overalls bewegten sie sich hin und her. Caffery sagte nicht viel; er ging nach vorn in die Reparaturgrube, wo er sie empfing und sich Stiefel und Handschuhe geben ließ. Dann kehrte er mit ihnen durch den Tunnel zurück und führte sie in die Kammer. Mit dem Rücken zur Wand und mit verschränkten Armen blieb er stehen.
    Der Boden der Höhle war übersät von Zeitungen und alten Fastfoodkartons, Bierdosen und Batterien. An der hinteren Wand waren zwei Industriepaletten aufeinandergestapelt, und darauf lag eine Gestalt, in ein schmutziges Laken gehüllt, fleckig und mit toten Insekten bedeckt. Die Form war unverkennbar: ein Mensch, der auf dem Rücken lag, die Hände auf der Brust verschränkt. Ungefähr einen Meter fünfzig groß.
    »Sie haben nichts angefasst?« Der Chef der Spurensicherung kam herein und legte vom Eingang bis zur Leiche Trittplatten auf den Boden. Es war der distinguiert wirkende, hochnäsige Kriminaltechniker, der den Wagen der Costellos untersucht hatte. »Aber dazu sind Sie natürlich zu clever.«
    »Ich hab die Nase drübergehalten, aber das Laken nicht berührt – das war nicht nötig. Wenn da was tot ist, merkt man’s ja. Das merkt jeder, oder? Sogar ein Cop, der blöd ist wie Scheiße.«
    »Sie sind der Einzige, der hier drin war?«
    Caffery rieb sich die Augen und deutete dann unbestimmt in Richtung der Leiche. »Das ist kein Erwachsener, oder?«
    Der Cheftechniker schüttelte den Kopf. Er blieb vor den aufeinandergestapelten Paletten stehen und ließ den Blick über die Gestalt wandern. »Das ist kein Erwachsener. Eindeutig nicht.«
    »Aber wie alt sie ist, können Sie nicht sagen, oder? Könnte sie zehn sein? Oder jünger?«
    »Sie? Woher wissen Sie, dass es eine Sie ist?«
    »Glauben Sie, es ist ein Er?«
    Der Techniker drehte sich um und musterte ihn lange. »Man hat mir gesagt, es geht hier immer noch um den Entführer. Man hat mir gesagt, Sie hätten Ted Moon im Verdacht.«
    »Man hat Ihnen die Wahrheit gesagt.«
    »Der Mord an diesem Mädchen – Sharon Macy – war der erste Fall, den ich zu bearbeiten hatte, vor elf, beinahe zwölf Jahren. Ich habe einen ganzen Tag damit verbracht, ihr Blut mit einem Skalpell aus den Bodendielen zu kratzen. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Hab immer noch Albträume deswegen.«
    Gebückt kam die Ärztin durch den Eingang, eine Frau mit einem hübschen Haarschnitt und einem Regenmantel. Sie hatte Galoschen über die eleganten Schuhe gestreift und trug Handschuhe.

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