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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Philippa hielt Sophie am Halsband fest; die Spanielhündin hatte aufgehört zu bellen, aber sie beäugte Caffery misstrauisch.
    »Sie hat das Telefon«, murmelte die Familienbetreuerin. »Sie ist wie ein Bluthund, wenn es um das verdammte Ding geht. Sie hat es mir abgenommen.«
    Rose wiegte sich vor und zurück. »Verlangen Sie nicht, dass ich es Ihnen gebe. Sie kriegen es nicht zu sehen. Es ist mein Telefon.«
    Caffery zog den Mantel aus und warf ihn auf einen Stuhl neben der Tür. Die Luft im Hausflur war stickig. Eine Prägetapete mit blauen Wirbeln bedeckte die Wände. Eigentlich war es ein Gästehaus für fremde Polizeichefs, aber es war scheußlich. Wirklich scheußlich. »Hat sie es aufgemacht?«
    » Nein ! Nein, hab ich nicht.« Sie wiegte sich heftiger. Ihre Stirn lag auf den Knien, und Tränen sickerten in den Hausmantel. »Ich hab’s nicht aufgemacht. Aber es ist bestimmt ein Bild von ihr, nicht wahr? Es ist ein Bild von ihr.«
    »Bitte.« Jonathan legte einen Finger an die Schläfe. Er sah aus, als könnte er jeden Moment umfallen. »Das weißt du nicht. Wir wissen nicht, was es ist.«
    Caffery stand auf der Treppe, zwei Stufen unterhalb von Rose, und schaute zu ihr hoch. Ihre Haare waren ungewaschen, und ein unangenehm würziger Geruch ging von ihr aus. »Rose?« Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie konnte sie entweder nehmen oder das Telefon hineinlegen. »Rose, was immer es ist, was immer auf dem Foto zu sehen ist, es könnte uns helfen, sie zu finden.«
    »Sie haben den Brief gesehen. Sie wissen , was er gesagt hat – was er mit ihr vorhatte. Es war schrecklich, was er tun wollte. Das weiß ich, denn wenn es nicht schrecklich gewesen wäre, hätten Sie es mir gezeigt. Was ist, wenn er getan hat, was er tun wollte? Was ist, wenn das ein Foto davon ist?« Ihre Stimme wurde lauter; sie klang angespannt. »Was ist, wenn das auf dem Foto zu sehen ist? Was ist dann?«
    »Das wissen wir erst, wenn wir es uns angeschaut haben. Sie müssen mir jetzt das Telefon geben.«
    »Nur wenn ich sehen darf, was darauf ist. Sie werden mir nichts mehr verheimlichen. Das dürfen Sie nicht.«
    Caffery blickte zu der Betreuerin hinüber, die mit verschränkten Armen vor der Tür stand. Als sie begriff, was er vorhatte, hob sie resigniert die Hände, als wollte sie sagen: Sie müssen’s wissen .
    »Philippa«, sagte er, »du hast doch einen Laptop, oder? Hast du ein USB-Kabel für das Telefon?«
    »Nein. Bluetooth.«
    »Hol deinen Laptop.«
    Sie zögerte, und ihre Lippen bewegten sich, als hätte sie einen ausgetrockneten Mund. »Wir werden uns das nicht ansehen, oder?«
    »Deine Mutter wird mir das Telefon sonst nicht geben.« Er verzog keine Miene und bewahrte einen gleichmütigen Gesichtsausdruck. »Wir müssen ihre Wünsche respektieren.«
    »O Gott.« Sie schüttelte sich und zog Sophie ins Wohnzimmer. » Gott .«
    Sie ließen sich am Esstisch nieder und warteten, während Philippa den Laptop aufklappte. Ihre Hände zitterten. Jonathan war in der Küche verschwunden und klapperte dort herum; wahrscheinlich spülte er wieder das Geschirr ab. Er wollte von all dem nichts wissen. Nur Rose zitterte nicht. Eine eisige Ruhe war über sie gekommen. Sie saß sehr gefasst am Tisch und starrte ins Leere. Als der Laptop hochgefahren war, nahm sie die verschränkten Arme auseinander und legte das Telefon mitten auf den Tisch. Einen Moment lang starrten es alle schweigend an.
    »Okay«, sagte Caffery. »Ich kann jetzt weitermachen.«
    Philippa nickte und stand auf. Sie warf sich auf das Sofa, saß mit hochgezogenen Knien da und drückte sich ein Kissen auf das Gesicht; aber sie starrte mit weit aufgerissenen Augen darüber hinweg, als sähe sie einen abscheulichen Film und könnte trotzdem den Blick nicht abwenden.
    »Sind Sie sicher, Rose?«
    »Ganz sicher.«
    Er öffnete die Bluetooth-Verbindung und übertrug die Grafikdatei auf den Laptop. Martha, die Liebe meines Lebens.jpg . Alle starrten wie gebannt auf den Monitor, als das Foto langsam heruntergeladen wurde. Zeile um Zeile füllte es den Bildschirm aus. Als Erstes erschien ein blauer Teppich, dann die Bettkastenschublade eines Kinderbetts.
    »Ihr Bett«, stellte Rose nüchtern fest. »Marthas. Er hat ein Foto von ihrem Bett gemacht. Die Aufkleber unten am Bettkasten. Wir hatten Streit deshalb. Ich –« Sie brach ab und presste die Hand auf den Mund, als das Foto sich vervollständigte.
    » Was ?«, fragte Philippa vom Sofa her. »Mum? Was ist?«
    Niemand antwortete.

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