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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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erreichen.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles.«
    »Was ist damit?« Er zeigte auf die Schramme an Prodys Wange. »Woher haben Sie diese kleine Verletzung?«
    Prody legte behutsam die Finger auf die Wunde. »Ja – Costello hat ordentlich zugelangt. Vermutlich hab ich’s verdient. Sieht es so schlimm aus?«
    Caffery dachte an das, was Janice gesagt hatte: Mein Mann fickt Paul Prodys Frau . Gott, das Leben war nicht einfach.
    »Gehen Sie nach Hause, Kollege.« Er legte Prody die Hand auf den Rücken. Tätschelte ihn. »Sie haben seit zwei Tagen keine Ruhe gehabt. Gehen Sie nach Hause, und kleben Sie da ein Pflaster drauf. Ich will Sie erst morgen früh wieder im Büro sehen. Okay?«
    »Wahrscheinlich. Wahrscheinlich. Danke.«
    »Ich bringe Sie noch zum Parkplatz. Der Hund muss mal raus.«
    Sie gingen in Cafferys Büro und holten Myrtle. Zu dritt liefen sie schweigend durch die Korridore. Die alte Hündin bestimmte das Tempo. Auf dem Parkplatz stieg Prody in seinen Peugeot und ließ den Motor an. Er wollte gerade losfahren, als Caffery an das Seitenfenster klopfte.
    Prody hielt inne. Er saß vorgebeugt da, die Hand noch am Zündschlüssel. Ein gereizter Ausdruck huschte über sein Gesicht, und einen Moment lang fühlte Caffery sich daran erinnert, dass Prody etwas an sich hatte, das sein Misstrauen erregte. Der Mann war ein Thronräuber. Er hatte es auf Cafferys Platz abgesehen. Aber er stellte den Motor wieder ab und drehte geduldig das Fenster herunter. Seine hellen Augen wirkten sehr ruhig. »Ja?«
    »Ich wollte Sie noch was fragen. Geht um das Krankenhaus heute.«
    »Was ist damit?«
    »Bei allen Tests, die sie da gemacht haben – sie können nicht feststellen, womit Moon Sie und die Frauen außer Gefecht gesetzt hat. Man hat Sie auf alle größeren Gruppen von Inhalationsmitteln untersucht, und keiner von Ihnen hat positiv auf die Tests reagiert. Und bei Ihnen waren die Reaktionen anders als bei den beiden Frauen. Sie haben als Einziger gekotzt. Können Sie vielleicht noch mal mit dem Krankenhaus sprechen? Denen ein paar weitere Informationen geben?«
    » Weitere Informationen?«
    »Ja. Vielleicht bringen Sie ihnen das Hemd, das Sie trugen, falls Sie es noch nicht gewaschen haben. Dann können sie Ihren Mageninhalt untersuchen. Rufen Sie sie doch einfach an, Kollege. Machen Sie die Männer in den weißen Kitteln glücklich.«
    Prody ließ die Luft aus seiner Lunge entweichen. Sein Blick war starr. »Mein Gott. Ja. Natürlich. Wenn es sein muss.« Er drehte das Fenster hoch, startete den Motor und fuhr auf die Straße hinaus. Caffery ging ein paar Schritte hinterher und blieb dann stehen. Müde legte er einen Arm über das Tor und sah dem Peugeot nach, bis das kleine Löwenemblem auf dem Heck, rot glänzend im Licht der Bremsleuchten, außer Sicht war.
    Er drehte sich zu Myrtle um. Sie ließ den Kopf hängen und würdigte ihn keines Blickes. Caffery fragte sich, ob sie wohl die gleiche Leere empfand wie er. Leere und Angst. Viel Zeit blieb nicht mehr. Er brauchte keinen Profiler, um zu wissen, was als Nächstes kommen würde. Irgendwo gab es eine Familie mit versteckten Kameras in der Küche und im Elternschlafzimmer. Er spürte es. Er konnte riechen, dass es kam. Ja, wenn er die Zeit schätzen sollte, würde er sagen, es würde keine zwölf Stunden mehr dauern, bis es wieder passierte.

64
    J ill und David Marley saßen in den Wipfeln der Platanen am Rand des Gartens. »Londoner Platanen. Die Lunge Londons.« David Marley lächelte. Er ließ Tee aus einem zierlichen Samowar in eine zarte Porzellantasse fließen. »Atme ein, Flea. Du musst immer weiter einatmen. Kein Wunder, dass dir so schlecht ist.«
    Flea begann auf den Baum zu klettern, hinauf zu ihren Eltern. Aber es war schwer, denn das Laub war im Weg. Zu dicht. Es nahm ihr den Atem. Jedes Blatt hatte eine andere Farbe und eine andere Struktur, die sie wie einen Geschmack im Mund fühlen konnte, dünn und sauer oder glatt und erstickend. Sich nur zwei oder drei Handbreit voranzukämpfen, dauerte eine Ewigkeit.
    »Atme weiter«, sagte die Stimme ihres Vaters. »Und schau nicht an dir herunter.«
    Flea wusste, was er meinte. Sie wusste, dass ihr Bauch anschwoll. Sie brauchte nicht hinunterzuschauen, um das zu sehen. Sie fühlte es. Bunte, fingerdicke Würmer schlängelten sich durch ihre Eingeweide. Sie vermehrten sich, wimmelten, wuchsen.
    »Du hättest das nicht essen sollen, Flea«, rief ihre Mutter irgendwo über ihr in den Bäumen. »Ach, Flea, du

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