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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Klar, Sie machen sich keine Sorgen.«
    Caffery sah ihnen wie betäubt nach, als sie mit ihr davonrumpelten, den Hang hinunter und zu der Lichtung, wo der erste Hubschrauber stand. Sein Motor drehte im Leerlauf, und der Rotor wartete auf das Einkuppeln. Nur langsam registrierte er die Bedeutung dieser Information: Sie wird wieder gesund. »Danke«, flüsterte er hinter den Sanitätern und dem Notarzt her. »Danke.«
    Jetzt hätte er sich gern hingesetzt. Hingesetzt und dieses Gefühl festgehalten und für den Rest des Tages nichts weiter getan. Aus einem Sprechfunkgerät im Gras kamen die Meldungen der Rettungsteams, die sich noch im Tunnel aufhielten. Der Hubschrauber-Rettungssanitäter – er hatte einen Kletterhelm und einen Crashkurs in der Technik des Abseilens erhalten – war in den Tunnel gestiegen, hatte einen Blick auf Prody geworfen, der aufgespießt an der Wand hing, und Metallschneidegeräte angefordert. Es kam nicht infrage, Prody einfach von der Wand zu heben: Er würde in Sekundenschnelle verbluten. Man musste ihn herunterschneiden, und das Eisenstück aus dem Rumpf der Schute musste in seinem Oberkörper stecken bleiben. Seit zehn Minuten kam aus dem Funkgerät nur noch Prodys qualvolles Atmen und das Raspeln der hydraulischen Schere, die sich durch das Eisen fraß. Jetzt hatten die Maschinengeräusche aufgehört, und eine körperlose Stimme sagte deutlich durch das Röcheln Prodys: » Sie können ihn raufholen .«
    Caffery drehte sich um. Die Rollgliss-Rettungswinde erwachte mahlend zum Leben, und der Officer am Rand des Schachts überwachte das Aufrollen der Leine. Wellard war bereits aus dem Tunnel heraufgestiegen; er stand ein paar Schritte entfernt und hakte sich los. Mit seinem schmutzigen Gesicht sah er aus wie ein Dämon aus der Hölle.
    »Was ist los?«, schrie Caffery.
    »Sie holen ihn jetzt raus«, brüllte Wellard. »Sie haben gearbeitet wie verrückt.«
    »Und die Mädchen?«
    Wellard schüttelte finster den Kopf. »Nichts. Wir haben jeden Zollbreit abgesucht. Auch den Kahn und den Tunnelabschnitt auf der anderen Seite. Es ist höllisch instabil da drin – ich kann das Team nicht eine Minute länger unten lassen als nötig.«
    »Was ist mit Prody? Redet er?«
    »Nein. Sagt, er wird’s Ihnen erzählen, wenn er rauskommt. Will es Ihnen ins Gesicht sagen.«
    »Und?«, schrie Caffery. »Glauben wir ihm, oder hält er uns hin?«
    »Keine Ahnung. Fragen Sie mich was Leichteres.«
    Caffery holte tief Luft und drückte die flachen Hände auf den Leib, um die Angst zu bezwingen. Sein Blick ging zum Schacht, wo ein komplexes Flaschenzugsystem sich mühsam ächzend drehte. Die Seile, die von dem Dreifuß in den Schacht hinabhingen, schlugen gegen das Buschwerk, das aus der Schachtwand wuchs, und schnitten Kerben in die weiche Erde an der Kante.
    »Hau ruck «, sagte die Stimme aus dem Funkgerät. »Hauruck.«
    Fünfzig Meter weit entfernt hinter den Bäumen hievte man Flea in den Hubschrauber. Der Rotor wurde eingekuppelt und drehte sich immer schneller, bis der Wald in lautem Geknatter versank. Das Team aus dem zweiten Hubschrauber war jetzt am Schacht angelangt. Zwei Sanitäter und eine Frau, die man für eine abgetakelte Table-dance-Lady hätte halten können, wenn hinten auf ihrem grünen Overall nicht in großen Lettern das Wort » ARZT « gestanden hätte: ein kleines, hässliches Mopsgesicht mit geplatzten Äderchen auf der Nase, einem finsteren Blick und blond gebleichten Haaren. Ihre Haltung glich der eines Mittelstürmers beim Football mit ihren breiten, kantigen Schultern; ihr Gang war ein wenig breitbeinig.
    Er ging zu ihr und blieb ziemlich dicht vor ihr stehen. »Detective Inspector Caffery«, murmelte er und streckte seine Hand aus.
    »Ach ja?« Sie ignorierte seine Hand und sah ihn auch nicht an, sondern stemmte die Fäuste in die Hüften und spähte in den Schacht hinunter, wo die gelben Helme der Rettungsmannschaft ruckweise und Stück für Stück aus der Dunkelheit auftauchten.
    »Ich möchte mit dem Verletzten sprechen«, sagte er.
    »Da haben Sie Pech. Sowie er aus diesem Loch kommt, packen wir ihn in die Kaffeemühle da drüben. Seine Verletzungen erlauben nicht, dass wir ihn hier draußen behandeln.«
    »Ist Ihnen klar, wer das ist?«
    »Egal, wer es ist.«
    »Nein, das ist nicht egal. Er weiß, wo die beiden Kinder sind. Und er wird es mir sagen, bevor Sie ihn in den Hubschrauber bringen.«
    »Wenn wir auch nur eine Sekunde Zeit vergeuden, werden wir ihn verlieren. Das

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