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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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hatten an ihren Leinen gezerrt und dann zwei Stunden lang ihre eigenen Schwänze gejagt, waren gegeneinandergeprallt und im Kreis gelaufen. Man hatte den Holzplatz und die verlassene Fabrik durchkämmt. Auch dort hatten die Teams nichts gefunden – keinen Hinweis darauf, dass Martha irgendwo in der Nähe gewesen war. Auch der stillgelegte Wassertank, inzwischen rissig und trocken, wies keine Spuren auf.
    Seufzend stellte Caffery den Blick wieder scharf. Die Bäume verrieten ihm nichts. Wie sollten sie auch? Die Gegend war wie ausgestorben. Vom Holzplatz, wo sie eine Station eingerichtet hatten, kam der Cheftechniker auf ihn zu. Er trug den Overall der Spurensicherung.
    »Und?«, fragte Caffery. »Irgendwas gefunden?«
    »Wir haben ausgegossen, was er uns von den Fußspuren übrig gelassen hat. Wollen Sie’s sehen?«
    »Ich denke schon.«
    Sie gingen zurück zum Holzplatz. Ihre Schritte und Stimmen klangen gedämpft zwischen den Bäumen.
    »Sieben verschiedene Spurenstrecken.« Der Cheftechniker wedelte mit der Hand über den Boden, als sie an der Absperrung entlanggingen. »Sieht durcheinander aus, aber tatsächlich sind es sieben verschiedene Strecken. Sie gehen fächerartig in alle Richtungen nach außen und enden alle am Waldrand. Dahinter ist nichts mehr zu finden. Sie könnten überallhin führen – in die Felder, durch die Fabrik und hinaus auf die Straße. Die Teams tun ihr Bestes, aber der Bereich ist einfach zu groß. Er verarscht uns. Ein cleverer kleiner Scheißer.«
    Ja, dachte Caffery und spähte im Gehen in den Wald hinein, und es wird ihm gefallen, wie wütend wir jetzt sind. Es gab keine Antwort: War dies wirklich der Ort, an dem der Entführer Martha aus dem Wagen geholt hatte, oder war es woanders passiert? Hatte er sie meilenweit weggebracht, wohl wissend, dass die polizeilichen Ermittlungen sich um dieses Waldstück drehen würden, sodass sie beschäftigt wären, während er seinen hässlichen Absichten mit ihr anderswo nachging? Nicht zum ersten Mal in diesem Fall hatte Caffery das Gefühl, dass er am Nasenring herumgeführt wurde.
    Hinter dem abgesperrten Bereich, auf dem Holzplatz, waren die Teams immer noch bei der Arbeit. Sie wirkten wie Gespenster in ihren Schutzanzügen. Neben einem Schuppen, in dem die hier produzierten Vogelhäuser gestapelt lagen, war auf Böcken ein behelfsmäßiger Tisch aufgestellt worden, auf dem das Material, das die Teams gesammelt hatten, untersucht wurde. Die Durchsuchung der stillgelegten Fabrik war das Schlimmste gewesen. Sie war voll von illegal abgeladenem Hausmüll: verrottete alte Sofas, Kühlschränke, ein Kinderdreirad, sogar eine Einkaufstüte mit gebrauchten Windeln. Der Cheftechniker und der Asservatenverwalter hatten die Aufgabe zu entscheiden, was weggeworfen und was etikettiert und eingetütet werden sollte. Ernsthaft stinkig wurden sie, als es um die Windeln ging.
    »Hierzu fällt mir nichts mehr ein.« Der Cheftechniker entfernte die Plastikhülle von einem Abguss und legte ihn vor Caffery auf den Tisch. »Ich finde einfach nicht raus, was er hier benutzt hat.«
    Ein paar Leute gesellten sich zu ihnen, um zuzusehen. Caffery hockte sich hin und starrte den Gipsabdruck an. Ganz unten befanden sich Spuren der Fußabdrücke, aber da, wo der Entführer darübergekratzt hatte, war das Gips tief in die von dem scharfen Gegenstand hinterlassenen Furchen gesickert, sodass sich Grate und Zacken gebildet hatten, als der Abguss herausgelöst worden war.
    »Irgendeine Ahnung, mit welchem Gegenstand er diese Furchen gekratzt hat? Erkennen Sie die Form?«
    Der Cheftechniker zuckte die Achseln. »Da weiß ich nicht mehr als Sie. Etwas Scharfes, aber keine Klinge. Etwas Langes, Dünnes. Fünfundzwanzig Zentimeter – vielleicht dreißig? Er hat jedenfalls gut gearbeitet. Wir werden keine brauchbaren Fußabdrücke bekommen.«
    »Darf ich mal?« Sergeant Flea Marley löste sich aus der Gruppe der Zuschauer. Sie hatte einen Plastikbecher Kaffee in der Hand und war schmutzig von der Suche; ihr Haar wirkte verstrubbelt, und der Reißverschluss ihrer schwarzen Jacke stand offen, sodass man das verschwitzte Polizei-T-Shirt erkennen konnte. Ihr Gesicht, fand er, sah anders aus als am letzten Abend vor dem Büro. Irgendwie ruhiger. Ihre Einheit war zur Abwechslung mal auf den Füßen gelandet, und eigentlich hätte er sich für sie freuen sollen. »Ich würde es mir gern ansehen.«
    Der Kriminaltechniker hielt ihr ein Paar Nitrilhandschuhe hin. »Wollen Sie?«
    Sie

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