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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sagen kann, woher es stammt; deshalb ist es wahrscheinlich im Moment nicht relevant, aber der Edelstahl lässt auf eine technische Anlage schließen. Ich habe sieben Stück in der Region gefunden. Und zwei Sägewerke. Ich werde mein Team aufteilen; die Hälfte wird die Gebäude abklappern, und die andere Hälfte sucht nach diesen Reifenspuren.«
    Caffery nickte. Er versuchte sich seine Mutlosigkeit nicht anmerken zu lassen. Ein Radius von zehn Kilometern. Hundertfünfzig Gebäude, und der Himmel allein wusste, wie viele Einfahrten und Seitenwege. Das war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Selbst mit zusätzlichen Einheiten aus Gloucestershire würde es angesichts der nötigen Durchsuchungsbeschlüsse und des damit verbundenen Papierkrams eine Ewigkeit dauern. Und – die Worte des Entführers kamen ihm wieder in den Sinn: Es hat jetzt angefangen, nicht wahr, und es wird nicht einfach plötzlich wieder aufhören  – Zeit war das Einzige, was sie nicht hatten.

13
    F leas Einheit wendete nur zwanzig Prozent ihrer Zeit für das Tauchen auf. Den Rest verbrachten sie mit anderen Spezialeinsätzen in engen Räumen und Suchoperationen, bei denen Seilzugangstechnik erforderlich war. Gelegentlich leisteten sie auch allgemeine Unterstützungsarbeit, etwa bei Großraumfahndungen wie dieser hier in den Cotswolds.
    Sie hatten während der Einsatzbesprechung des Fahndungsberaters in dem miefigen Spielzimmer gesessen. Ihr Team erhielt die Aufgabe, nach den Reifenspuren zu suchen. Man hatte ihnen eine Karte gegeben, auf der etwa sechs Meilen Straße rot markiert waren, und ihnen die ungefähre Richtung gewiesen. Doch als Flea aus der Besprechung kam, mit ihrem Team in den Sprinter stieg und vom Parkplatz fuhr, bog sie nicht nach links ab, wo der ihnen zugeteilte Bereich lag, sondern nach rechts.
    »Wo fahren wir hin?« Wellard, ihr Stellvertreter, saß hinter ihr. Jetzt beugte er sich nach vorn. »Wir müssen in die andere Richtung.«
    Flea entdeckte eine kleine Ausweichbucht am Rand der schmalen Landstraße, hielt dort an und stellte den Motor ab. Sie legte einen Arm über die Rückenlehne und sah die sechs Männer lange und ernst an.
    »Was?«, fragte einer. »Was ist los?«
    »Was ist los?«, wiederholte sie. »Was ist los? Wir haben eben in einer zehnminütigen Besprechung gesessen. Sehr kurz. Nicht lang genug, um einzuschlafen. Da draußen befindet sich ein kleines elfjähriges Mädchen, und wir haben eine Chance, es zu finden. Es gab eine Zeit, da wäre jeder Einzelne von euch im Laufschritt aus so einer Besprechung gekommen. Da hätte ich euch Maulkörbe anlegen müssen.«
    Sie starrte sie an – mit halb offenem Mund und Kuhaugen saßen sie da. Was war nur mit ihnen passiert ? Als sie vor sechs Monaten das letzte Mal darüber nachgedacht hatte, waren sie gesunde junge Männer gewesen, engagiert und begeistert in ihrem Job. Jetzt war nichts mehr davon zu spüren – kein Funke von Enthusiasmus. Wie hatte das nur geschehen können? Wieso hatte sie es nicht bemerkt?
    »Und seht euch jetzt an. Nicht mal ein Flackern. Das …«, sie hielt eine Hand hoch, flach und horizontal, »das sind eure Hirnwellen. Flatlines. Kein Ausschlag. Was, zum Teufel, ist passiert, Leute?«
    Niemand antwortete. Einer oder zwei schauten zu Boden. Wellard verschränkte die Arme und entdeckte draußen vor dem Fenster etwas, das er anstarren konnte. Er spitzte die Lippen, als wollte er –
    »Pfeifen? Wagen Sie es ja nicht zu pfeifen, Wellard. Ich bin nicht blöd. Ich weiß, was hier los ist.«
    Er drehte sich zu ihr und hob die Brauen. »Wirklich?«
    Seufzend fuhr sie sich mit der Hand durch das Haar. Der Wind war ihr aus den Segeln genommen; sie sackte auf ihrem Sitz zusammen und schaute durch die Frontscheibe hinaus auf die kahlen Bäume am Straßenrand. »Natürlich«, murmelte sie. »Ich weiß, was los ist. Ich weiß, was Sie sagen wollen.«
    »Es ist, als wären Sie nicht mehr hier, Sarge«, sagte Wellard, und ein paar andere murmelten zustimmend. »Sie haben diesen Tausendmeilenblick. Tun alles nur noch pro forma. Sie sagen, wir hätten den Biss verloren, aber wenn ganz oben niemand zu Hause ist, dann kann man auch gleich aufgeben. Und auch wenn es hier nicht nur ums Geld geht – wir werden dieses Jahr zu Weihnachten zum ersten Mal keine Leistungsprämie bekommen.«
    Sie drehte sich wieder zu ihm und sah ihn fest an. Sie mochte Wellard sehr. Er arbeitete seit Jahren bei ihr, und er war einer der Besten, die sie kannte. Sie liebte ihn

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