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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ein bisschen Obst, eine Karte und eine Flasche Rotwein mit dem »Bio«-Siegel auf dem Etikett. Caffery behielt die Flasche im Auge. Wahrscheinlich würde er nicht ablehnen, wenn sie ihm etwas anbieten sollten. Aber die Pastete wanderte in die Mikrowelle, und die Flasche blieb ungeöffnet abseits stehen, während Jonathan kochendes Wasser in eine Teekanne goss.
    »Es tut mir leid«, begann Caffery, als Tee und heiße Apfelpastete vor ihnen standen. Jonathan war anscheinend entschlossen, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten. »Dass ich Sie so störe.«
    »Das ist okay.« Roses Stimme klang monoton. Sie sah weder ihn noch den Kuchen an, sondern starrte auf den Fernseher. »Ich weiß, dass Sie sie nicht gefunden haben. Die Dame hat es uns erzählt.« Sie deutete auf die Familienbetreuerin, die am anderen Ende des Tisches saß und geschäftig einen großen Aktenordner aufklappte, um sich Notizen über dieses Gespräch zu machen. »Sie hat uns erzählt, dass nichts passiert ist. Das stimmt doch, oder? Nichts ist passiert?«
    »Nein.«
    »Sie haben uns von dem Wagen erzählt und gesagt, da waren Kleidungsstücke drin. Von Martha. Wenn Sie damit fertig sind, möchten wir sie gern zurückhaben, bitte.«
    »Rose«, sagte die Betreuerin, »wir haben doch schon darüber gesprochen.«
    »Ich möchte die Kleider wieder, bitte.« Rose richtete ihren Blick auf Caffery. Ihre Augen waren rot und geschwollen. »Mehr verlange ich nicht. Ich will nur das Eigentum meiner Tochter zurückhaben. Sofort.«
    »Tut mir leid«, entgegnete Caffery. »Das geht nicht. Nicht sofort. Es ist Beweismaterial.«
    »Wozu brauchen Sie es denn? Warum wollen Sie es behalten?«
    Die Unterwäsche befand sich im Labor im Präsidium. Sie unterzogen sie verzweifelt einem Test nach dem andern. Bisher hatten sie keine Spermaspuren vom Entführer gefunden. Genauso wenig wie im Wagen. Caffery bereitete es großes Unbehagen, wie beherrscht der Kerl war. »Es tut mir leid, Rose. Wirklich. Ich weiß, es ist schwer, aber ich muss Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«
    »Es braucht Ihnen nicht leidzutun.« Jonathan stellte ein Kännchen Sahne auf den Tisch und verteilte Dessertlöffel. »Reden hilft. Wenn man darüber reden kann, ist es besser. Stimmt’s, Rose?«
    Rose nickte apathisch. Ihr Mund öffnete sich ein wenig.
    »Sie hat alle Zeitungen gesehen, oder?« Caffery schaute die Betreuerin an. »Sie haben ihr auch die mit Martha auf der Titelseite gezeigt?«
    Die Familienbetreuerin stand auf, nahm eine Zeitung von einem Sideboard und gab sie ihm. Es handelte sich um die Sun . Jemand, der in einem Damenbekleidungsgeschäft arbeitete, in dem die Bradleys am Samstagvormittag gewesen waren, hatte der Zeitung Videoüberwachungsaufnahmen verkauft, auf denen Rose und Martha sich in der Nähe des Fensters ein paar Sachen anschauten, dreißig Minuten vor der Entführung. Die Zeitung hatte ein Standbild mit Zeitstempel veröffentlicht und darunter geschrieben:
    Das letzte Foto? Nur eine halbe Stunde bevor ein Monster sie raubt, ist die elfjährige Martha vergnügt beim Shoppen mit ihrer Mum.
    »Warum mussten sie das schreiben?«, fragte Rose. »Wieso sagen sie ›das letzte Foto‹? Das klingt, als ob …« Sie strich sich das Haar aus der Stirn. »Es klingt, als ob – Sie wissen schon. Als ob alles vorbei wäre.«
    Caffery schüttelte den Kopf. »Aber es ist nicht alles vorbei.«
    »Nicht?«
    »Nein. Wir tun wirklich alles, was in unserer Macht steht, um sie wohlbehalten nach Hause zu bringen.«
    »Das hab ich schon mal gehört. Das haben Sie schon mal gesagt. Sie haben gesagt, sie feiert ihren Geburtstag.«
    »Rose«, sagte Jonathan sanft, »Mr. Caffery versucht nur, uns zu helfen. Hier … so.« Er goss ein bisschen Sahne auf ihren Teller und dann auf seinen eigenen. Dann drückte er ihr einen Löffel in die Hand und schob sich selbst einen Löffel Apfelpastete in den Mund. Er kaute sorgfältig, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Vielsagend deutete er mit dem Kopf auf ihren Teller und versuchte sie dazu zu bringen, es ihm gleichzutun.
    »Sie hat noch nichts gegessen«, flüsterte die Familienbetreuerin. »Nichts, seit es passiert ist.«
    »Das ist typisch für dich, Dad«, meinte Philippa, die auf dem Sofa saß. »Du glaubst, mit Essen bringt man alles in Ordnung.«
    »Sie braucht ihre Kraft. Die braucht sie wirklich.«
    Caffery griff nach dem Krug und goss sich Sahne über die Pastete. Er nahm einen Bissen und lächelte Rose ermutigend zu. Sie starrte

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