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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Pastete?«
    Jonathans Pupillen waren klein wie Stecknadelköpfe. »Von der Nachbarin«, sagte er matt. »Mrs. Fosse.«
    »Sie bringt uns Essen, seit alles angefangen hat.« Die Betreuerin ließ ihren Löffel auf den Tisch fallen. »Um zu helfen.«
    Caffery schob den Teller weg und kramte mechanisch in der Tasche nach seinem Handy, ohne den Zahn aus den Augen zu lassen. »Wo wohnt sie? Welche Hausnummer?«
    Jonathan antwortete nicht. Er beugte sich über seinen Teller und spuckte einen Mund voll Pastete aus. Dann sah er seine Frau an, wie um sich zu entschuldigen. Seine Augen waren rot und feucht. Er schob geräuschvoll den Stuhl zurück, als wollte er aufstehen, aber stattdessen beugte er sich wieder über seinen Teller. Als er jetzt den Mund öffnete, übergab er sich. Es klatschte auf seinen Teller, und kleine weiße Fäden, Speichel und Sahne spritzten über den Tisch.
    Alle starrten ihn an, als er sich mit einem Küchentuch den Mund abwischte und das Erbrochene auf dem Tisch abtupfte. Niemand sprach ein Wort. Ein lastendes Schweigen breitete sich in der Küche aus. Sogar Caffery schwieg, sah den Zahn an und dann Jonathan, der verzweifelt versuchte, den Tisch sauber zu wischen. Er wollte gerade aufstehen und etwas Konstruktives tun, vielleicht einen Lappen holen, als Rose Bradley zum Leben erwachte. »Du Schwein!« Mit lautem Scharren schob sie ihren Stuhl zurück, sprang auf und richtete den ausgestreckten Zeigefinger auf ihren Mann. »Du absolut abscheuliches Schwein, Jonathan. Du glaubst, wenn wir einfach so tun, als wäre alles normal, dann hört es auf.« Sie langte über den Tisch und fegte mit einer einzigen Bewegung den Teller herunter, sodass er am Herd zerbrach. »Du glaubst, Pastete und Tee und Berge von verdammten Keksen bringen sie wieder zurück. Das glaubst du. Das glaubst du wirklich.«
    Sie packte den Zahn, und ohne die Familienbetreuerin zu beachten, die aufgestanden war und die Hände hob, um die Situation zu beruhigen, stürmte sie hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Einen Augenblick später warf Philippa ihrem Vater einen bösartigen Blick zu, folgte ihrer Mutter und schlug die Tür noch einmal zu. Man vernahm ihre Schritte auf der Treppe, und dann knallte eine andere Tür. Man hörte einen dumpfen Schlag und dann gedämpftes Schluchzen.
    In der Küche sprach niemand. Alle schwiegen und starrten auf ihre Füße.

16
    Z ehn Meilen weiter südlich, in einer Straße am Rand des Städtchens Mere, parkte Janice Costello, eine sechsunddreißigjährige Mutter, ihren Audi und stellte den Motor ab. Sie drehte sich zu ihrer vierjährigen Tochter um, die angeschnallt in ihrem Kindersitz auf der Rückbank saß, bettfertig in Pyjama und »Hello Kitty«-Pantoffeln, mit einer Wärmflasche und einem Federbett um den Körper.
    »Emily, Schätzchen? Alles okay, mein Püppchen?«
    Emily gähnte und sah schlaftrunken aus dem Fenster. »Wo sind wir, Mummy?«
    »Wo wir sind? Wir …« Janice biss sich auf die Lippe und zog den Kopf ein, um hinausschauen zu können. »Wir sind bei den Geschäften, Schätzchen. Und Mummy bleibt bloß zwei Minuten weg. Zwei Minuten, okay?«
    »Ich hab ja Jasper.« Emily wackelte mit ihrem Stoffhasen. »Wir schmusen.«
    »Braves Mädchen.« Janice beugte sich über die Lehne nach hinten und kitzelte Emily unter dem Kinn, sodass sie es nach unten drückte und vergnügt zappelte.
    »Aufhören! Aufhören!«
    Janice lächelte. »Du bist ein braves Mädchen. Halt Jasper schön warm. Ich bin gleich wieder da.«
    Sie löste den Sicherheitsgurt, stieg aus und verschloss den Wagen über die Zentralverriegelung. Sie warf Emily einen letzten Blick zu, richtete sich auf und blieb unter der Straßenlaterne stehen. Beunruhigt spähte sie die Straße entlang nach links und rechts. Sie hatte Emily angelogen. Hier gab es keine Geschäfte, sondern lediglich eine staatliche Klinik, in der eine Gruppentherapie stattfand. Drei Männer und drei Frauen trafen sich hier jeden Montag, und sie würden jetzt – Janice sah auf die Uhr – jeden Moment herauskommen. Sie ging bis zur Ecke, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und reckte den Hals, damit sie das Gebäude sehen konnte. Vor dem Eingang brannte Licht, und die Vorhänge in zwei der vorderen Fenster – vielleicht da, wo die Gruppensitzung stattfand – waren zugezogen.
    Janice Costello war davon überzeugt, dass ihr Mann eine Affäre hatte. Cory ging seit drei Jahren in diese Gruppentherapie, und sie war ziemlich sicher, dass er eine

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