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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Tisch. Klimaanlage. Es trieb ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Was für ein Alarm ging da in ihrem Hinterkopf los? Der Austausch von Gas. Alte Luft, die durch neue ersetzt wurde. Sie dachte daran, wo Misty jetzt war: wie die Luft aus der Höhle tief im Felsen ihren Weg nach oben fand, durch unsichtbare Kanäle und winzige Spalten, nicht breiter als ein Finger, hinaus, hinaus ins Freie.
    Und dann durchfuhr sie die Erkenntnis wie ein Stich. Sie stand auf und zog ihre Projektakte heraus, einen Loseblattordner mit all den Dingen, die Tag für Tag in der Einheit erledigt werden mussten. Sie blätterte hastig darin, bis sie die Notizen von der Suchaktion am Tag zuvor gefunden hatte. Mit zitternden Fingern nahm sie sie heraus, breitete sie auf dem Tisch aus, stützte sich mit den Händen auf und brütete darüber – und ganz allmählich fügte sich das Bild in ihrem Kopf zusammen.
    Luftschächte. Die hatte sie übersehen. Die gottverdammten Luftschächte.
    Jemand klopfte an die Tür.
    »Ja?« Beinahe schuldbewusst schob sie die Blätter wieder in den Ordner und drehte dem Schreibtisch den Rücken zu. »Was ist?«
    Wellard kam herein. In der Hand hielt er einen Block mit einer Notiz in seiner unordentlichen Handschrift. »Sarge?«
    »Ja, Wellard?« Sie lehnte sich vor, um die Akte zu verdecken. »Was gibt’s?«
    »Ein Auftrag. Der Anruf kam eben.«
    »Was für ein Auftrag?«
    »Ein Haftbefehl.«
    »Wen sollen wir verhaften?«
    »Keine Ahnung. Sie haben uns angewiesen, auf dem schnellsten Weg zum Sammelpunkt zu kommen. Keine Schusswaffenanforderung, aber es klingt trotzdem ziemlich wichtig.«
    Sie sah ihm fest ins Gesicht. »Machen Sie das, Wellard. Vertreten Sie mich. Ich nehme mir heute Nachmittag frei.«
    Wellard vertrat sie immer als Sergeant, wenn sie nicht dabei sein konnte, aber eine solche Vertretung wurde normalerweise im Voraus eingeplant. Er runzelte die Stirn. »Sie stehen aber heute auf dem Dienstplan.«
    »Ich bin krank. Das bescheinige ich mir selbst.«
    »Sie sind nicht krank.« Er musterte sie misstrauisch. »Hey. Es hat nichts mit dem zu tun, was ich gesagt hab, oder? Sie wissen schon – als ich gemeint hab, Sie werden mich nicht dabei erwischen, dass ich einen N-«
    Sie hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ihr Herz klopfte wie wild. »Danke, Wellard. Nein. Damit hat es nichts zu tun.«
    »Womit dann?«
    Wenn sie ihm jetzt erzählte, was ihr durch den Kopf ging, würde ihm der Kragen platzen. Er würde sagen, sie sei besessen, und sie solle die Sache auf sich beruhen lassen. Er würde sich über sie lustig machen oder ihr vielleicht drohen, den Inspector zu informieren. Er würde ihr einen Vortrag halten. Vielleicht sogar versuchen, sie zu begleiten. Egal. Sie würde schon zurechtkommen. »Ich bin krank. Schweinegrippe – oder was sonst gut aussieht auf dem Formular. Ich fahre nach Hause und lege die Füße hoch.« Sie schob die Akte in den Rucksack, warf ihn sich über die Schulter und lächelte Wellard strahlend an. »Viel Glück bei der Verhaftung. Und vergessen Sie nicht, die Vertretungszulage zu beantragen.«

37
    E r würde nicht nur den Zugangscode für den Parkplatz brauchen«, sagte Turner. »Er müsste im ganzen Gebäude herumlaufen und in jedem Büro ein- und ausgehen können. Er müsste praktisch unsichtbar sein.«
    Caffery, Turner und Prody hatten sich in Prodys Büro gezwängt. Die Heizung war voll aufgedreht, und die Fenster waren beschlagen. Der Geruch von Farbe und Schweiß hing in der Luft.
    »Auf dem Parkplatz gibt es eine Überwachungskamera.« Caffery stand mit den Händen in den Hosentaschen in einer Ecke. »Wenn er den Peilsender hier angebracht hat, müsste es Videoaufnahmen davon geben. Hat sich jemand darum gekümmert?«
    Die beiden anderen Männer schwiegen.
    »Was?«
    Turner zuckte die Achseln und wich seinem Blick aus. »Die Kamera ist kaputt.«
    »Schon wieder? Diese Entschuldigung hab ich gehört, als der verdammte Streifenwagen geklaut wurde. Wollen Sie sagen, sie ist noch mal kaputtgegangen?«
    »Nicht noch mal. Sie ist einfach nicht repariert worden.«
    »Na bravo. Wie lange war das Ding kaputt?«
    »Seit zwei Monaten. Es war der Hausmeister – es gehörte zu seinem Job, so was zu reparieren.«
    »Und wie lange hat dieser Wichser bei uns gearbeitet?«
    »Zwei Monate.«
    »Mein Gott, mein Gott, mein Gott.« Caffery presste die Fäuste an den Kopf und ließ sie entnervt wieder sinken. »Ich hoffe, die Serviette war hübsch gefaltet, als wir ihm Martha

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