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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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erfreute sich am sonoren Klang seines angejahrten englischen Roadsters. Pappeln zogen vorbei, Pinien, Steineichen. Die auf einem Hügel gelegene Burgruine von Conegliano tauchte auf. Weil er früh genug dran war, entschloss sich Mark für einen Umweg und bog auf die
Strada del Vino di Prosecco
ab. Rechts und links der malerischen Straße lagen die Weinberge der Region Valdobbiàdene, auf denen die Prosecco-Rebe schon seit den Zeiten der alten Römer angebaut wird.
    Weiter ging’s nach Feltre, der Stadt, die 1509 und 1510 aus Treue zu Venedig von der Liga von Cambrai gleich zweimal geplündert und schließlich zerstört wurde. Die Lagunenstadt belohnte diese aufopfernde Loyalität, indem sie Feltre noch im 16. Jahrhundert wieder aufbauen ließ. Bis Belluno war es nicht mehr weit. Er dachte an sein Handy, das abgeschaltet unter dem Beifahrersitz lag. Das liebte er besonders an der modernen Technik, nämlich dass man auf ihre Segnungen auch verzichten konnte. Nicht erreichbar zu sein, das war für ihn wahrer Luxus. Und diesen wollte er sich für die nächsten Tage auch nicht nehmen lassen.

9
    S iamo qui riuniti per congedarci da una persona che, dopo una lunga vita …«
    Laura Zanetti fiel es schwer, sich auf die Worte von Pater Franceschi zu konzentrieren. Ein langes, erfülltes Leben, dachte Laura über die letzten Worte nach. Ja, gewiss. Aber die alte Dame hatte ein schöneres Ende verdient als diesen unglückseligen Sturz über das Mäuerchen. Die letzten Sekunden im Leben von Ottilia Balkow waren wohl Augenblicke der Angst gewesen. Vielleicht hatte sie plötzlich ein Stechen in der Herzgegend verspürt und war deshalb ins Straucheln geraten? Etwas musste passiert sein, da war sich Laura sicher. Irgendetwas hatte die alte Dame so aus dem Gleichgewicht gebracht, dass der verhängnisvolle Sturz unausweichlich wurde. Und dann der Tod selbst. Wer weiß, ob er wirklich sofort eingetreten war, wie der Arzt behauptete. Vielleicht hatte Ottilia Balkow noch kurz gelebt, hatte Schmerzen gehabt, leise um Hilfe gerufen.
    »La nostra cara defunta che abbiamo amato e ammirato, ci mancherà molto. E naturalmente ci chiediamo il perché. Solo il nostro Signore sa la risposta, il nostro Dio …«
    Pater Franceschi machte mitten im Satz eine Pause, faltete die Hände und richtete den Blick nach oben.
    Einige dunkle Wolken hatten sich von Westen kommend vor die Sonne geschoben. Laura hoffte, dass der Regen noch etwas auf sich warten ließ.
    Während der Pater weitersprach, hing Laura, die etwas abseits stand, wieder ihren eigenen Gedanken nach. Dabei betrachtete sie die kleine Trauergemeinde, die sich auf diesem alten Friedhof, der zur Chiesa della Beata Vergine gehörte, zusammengefunden hatte. Vor dem offenen Grab stand Pater Franceschi, der die Signora Balkow gut gekannt hatte und aus dessen Worten echt empfundene Trauer sprach. Die kleine Frau ganz links, die sich gerade mit dem Taschentuch einige Tränen abwischte, das war Silvana, die Haushälterin. Neben ihr stand Pierpaolo Battistoli, der Ottilia den Garten gepflegt hatte und im Hauptberuf an einer Schule unterrichtete. Lauras Blick fiel auf Rudolf Krobat, den Enkel von Ottilia Balkow, den sie in München angerufen hatte. Eine knappe Woche war das erst her. Rudolf Krobat hatte die Hände verschränkt und nickte zustimmend, als Pater Franceschi gerade von der »Herzensgüte der Verstorbenen« sprach. Der kleine Herr mit der Stirnglatze und der Hornbrille, das war Dr. Leuttner, der Rechtsanwalt von Ottilia Balkow, der sich in den zurückliegenden Tagen rührend um jede Kleinigkeit gekümmert hatte. Die drei Damen hinter ihm stammten aus der Umgebung und gehörten zu Ottilia Balkows Bridgerunde. Und der alte Herr ganz rechts, das war Professore Brandeschi, ein Kunsthistoriker aus Padua, mit dem Ottilia Balkow gut befreundet gewesen war.
    Vielleicht zwei dutzend Trauernde hatten sich an diesem Nachmittag am Grab zusammengefunden. Wie Laura wusste, fehlte nur einer, Mark Hamilton, der andere Enkel und neben Rudolf Krobat der einzige weitere Verwandte der alten Dame. Dieser Mark schien ein ziemlicher Individualist zu sein. So gehörte es offenbar zu seinen Gewohnheiten, immer wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Nach Rudolf Krobats Schilderungen zu urteilen, war sein Halbbruder ein ausgesprochener Lebenskünstler. Laura erinnerte sich an einige Bemerkungen von Ottilia Balkow, aus denen hervorging, dass sie Mark trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Verrücktheiten

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