Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
ein Problem mit einigen Restaurantbesitzern, die dachten, sie könnten auf unseren Schutz verzichten.«
»Wie naiv. Sie sind jetzt hoffentlich anderer Auffassung?« Der Principale hatte plötzlich einen Jeton zwischen den Fingern und ließ ihn kreiseln.
»Selbstverständlich, Principale. Ich soll Sie von ihnen grüßen.«
Der Principale nahm die Grüße mit einem leichten Hüsteln zur Kenntnis. Alessandro fiel auf, dass der Jeton wieder verschwunden war. Der Principale deutete auf den Aktenkoffer. »Und wie sieht es mit der Restzahlung aus? Fünfhundert Millionen Lire sind kein Pappenstiel. Glaubst du, dass er das Geld innerhalb eines Monats aufbringen kann?«
Alessandro zupfte verlegen am Ohrläppchen. »Nun, er sagt, es könne eine kleine Verzögerung geben. Aber Sie würden ihr Geld auf jeden Fall bekommen.«
»Eine kleine Verzögerung?«
»Ja, vielleicht einen weiteren Monat. Selbstverständlich mit den üblichen Zinsen.«
Der Principale wiegte zweifelnd den Kopf. »Ein Monat und noch ein Monat. Also zwei Monate! Meinetwegen, aber ich bin nicht die Banca d’Italia, ich gebe keine langfristigen Darlehen. Alessandro, mach ihm bitte klar, dass nach zwei Monaten endgültig Zahltag ist.«
»Habe ich schon, Principale. Er weiß das.«
»Wirklich?«
Alessandro entdeckte, dass der Jeton plötzlich auf dem kleinen runden Glastisch lag. Wie zum Teufel war er da hingekommen?
»Ja, hundertprozentig.«
Unvermittelt umspielte ein verschmitztes Lächeln die Lippen des Principale.
»Sag ihm, dass du ihm einen kleinen Finger abschneiden wirst, wenn er diesen Termin nicht einhält.«
»Einen kleinen Finger?«, entgegnete Alessandro erschrocken. »Das machen doch nur die japanischen Yakuzas.«
»Warum sollen wir nicht von anderen Zivilisationen lernen?«, fuhr der Principale fort. »Ich bin ein großer Freund des Kulturaustauschs. Außerdem habe ich das erst vor einigen Tagen in einem Film gesehen. Mir gefällt diese Gepflogenheit. Sie ist eigentlich sehr human – und doch im wahrsten Sinne des Wortes einschneidend.« Der Principale kicherte vergnügt.
»Einen Finger abschneiden …« Alessandro zog die Mundwinkel angewidert nach unten. »Das ist ja ekelhaft. Darf ich ihm nicht stattdessen beide Beine brechen?«
»Nein«, bestand der Principale auf seinem Einfall. »Du schneidest ihm einen Finger ab! Den kannst du mir dann als Souvenir mitbringen. So habe ich wenigstens auch was davon. Im Film hatten sie für diesen Zweck ein Schmuckkästchen, mit Samt ausgeschlagen.«
»Wie schneidet man eigentlich einen Finger ab?«, dachte Alessandro laut über diese ungewohnte Aufgabe nach. »Mit einer Schere?«
»Eine Gartenschere wäre sicherlich geeignet«, half der Principale. »Mit einer guten Gartenschere kann man auch starke Zweige abschneiden. Im Film hatten sie allerdings dafür ein kleines Messer.«
»Und was ist mit dem Blut?«
»Nun ist genug«, beendete der Principale die Erörterung des Themas. »Er soll natürlich nicht verbluten. Doch das ist nun wirklich dein Problem. Sprich mit einem Arzt. Aber vielleicht zahlt der Typ ja auch rechtzeitig zum Termin. Dann bleibt’s bei der Drohung.«
Alessandro war sichtlich erleichtert. »Ja, vielleicht zahlt er. Bestimmt, ja, ganz sicher wird er zahlen.«
Der Principale nickte. »Ich wünsche es dir. Aber, Alessandro, nur zur Sicherheit, besorge doch bitte schon mal ein geeignetes Schmuckkästchen!«
12
R oberto hatte sich bereits verabschiedet und war unterwegs zurück nach Belluno. Mark stand am Parkplatz neben seinem Morgan und betrachtete wehmütig die ramponierten Bergstiefel. Er hing an seinen alten Sachen. Aber angesichts der aufgeplatzten Nähte und der sich ablösenden Sohlen blieb ihm keine andere Wahl. Mit einer tragischen Geste entsorgte er die Stiefel seufzend in eine am Parkplatz stehende Abfalltonne. Schlaf- und Rucksack waren bereits auf dem Beifahrersitz verstaut, und das Verdeck war heruntergeklappt. Mark setzte sich auf einen Felsen und schaltete sein Handy ein. Kurz darauf war er mit seiner Agentin Norma verbunden.
»Hallo, sweetheart, I’m back on earth!«, meldete sich Mark.
»Bist du’s Mark?«, fragte Norma. »Ich kann dich kaum verstehen.«
»Yes, my dear, ich bin’s. Wie ist das Wetter in London? Und was gibt’s Neues aus dem Buckingham Palace?«
»Mark, wir suchen dich schon seit zwei Wochen.«
»Warum? Soll ich in Zukunft exklusiv die Centerfolds für den Playboy fotografieren?«, erwiderte Mark lachend.
»Nein, Mark, sei
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