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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Zusammenarbeit hatte sich Mark noch nie zu einer solch persönlichen Geste hinreißen lassen. Ihre Verblüffung wich einem freudigen Lächeln.
    »Ganz wie ein Gentleman der alten Schule. Diese Wesensart hast du mir bislang vorenthalten.«
    Norma nahm die Blumen entgegen und roch an den Blüten.
    »Es kommt noch schlimmer«, sagte Mark grinsend und präsentierte die bislang verborgene Champagnerflasche.
    Norma spürte, wie ihr Gesicht errötete. Könnte es sein, dass Mark …?
    »Nein, du musst nicht erschrecken, Norma-Darling, das wird kein Annäherungsversuch. Aber ich möchte mit dir auf etwas anstoßen. Wobei du, ich sag’s dir lieber gleich, davon gar nicht so begeistert sein wirst.«
    Norma bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie schloss die Tür hinter Mark, suchte eine Vase für die Blumen, währenddessen sich Mark im Bad die Haare trocknete und die klatschnasse Lederjacke aufhing.
    Kurz darauf standen beide am Fenster. Draußen prasselte der Regen gegen die Scheiben. Norma hatte auf dem Sims zwei Gläser bereitgestellt.
    »Wir sollten der Flasche noch einen Augenblick Ruhe gönnen, sonst explodiert sie uns beim Öffnen. Übrigens, was ist aus deinen grünen Haaren geworden, von denen du mir am Telefon berichtet hast? Ich war wirklich neugierig darauf.«
    »Ich bin am nächsten Morgen beim Blick in den Spiegel selbst erschrocken«, gab Norma zu. »Der jetzige Farbton ist nur eine Übergangslösung, bis ich eine neue Idee habe.«
    »Ist das deine Naturfarbe?«
    »Du meinst, dieses Gelb wäre meine Naturfarbe?«, sagte Norma kichernd. »Das würde dir gefallen, was?«
    »Schon, ja, ich stelle mir gerade vor …«
    »Ich will nicht wissen, was du dir vorstellst«, unterbrach ihn Norma. »Mach’s nicht so spannend. Du hast doch wohl kaum eine Flasche Champagner mitgebracht, um mit mir auf meine Haarfarbe zu trinken. Oder um …«, Norma sah Mark jetzt wieder ganz ernst an, »… oder um mit mir den Tod deiner Großmutter zu feiern.«
    Aus Marks Gesicht wich das spitzbübische Grinsen. »Nein, du hast Recht. Man könnte das tatsächlich falsch interpretieren.« Mark setzte sich auf die Fensterbank und atmete tief durch. »Ich weiß ja erst seit wenigen Tagen, dass sie tot ist. Da sollte ich wirklich mehr Trauer zeigen. Aber, das kannst du mir glauben, ich empfinde sie, ich meine, wirkliche Trauer. Ich bin traurig, dass Grandma Ottilia so plötzlich nicht mehr da ist. Ich habe sie echt geliebt. Sie war eine großartige Person.« Mark schaute aus dem Fenster. »Aber andererseits, denke ich mir, muss jeder irgendwann einmal sterben. Und es ist ein großes Glück, wenn man bei voller Gesundheit so alt werden darf wie Grandma. Und sie hat ganz offenbar nicht leiden müssen. Von einem Augenblick auf den anderen war es einfach vorbei.«
    »Aber dieser Sturz?« Norma sah Mark fragend an.
    »Ja, dieser Sturz, der geht mir auch nicht aus dem Kopf. Irgendwie passt er nicht zu ihrem Leben. Ich hätte ihr einen würdigeren, weniger dramatischen Abgang gegönnt. Im tiefen Schlaf einen letzten Atemzug, das hätte ich ihr gewünscht. Doch es ist nun mal anders passiert. Es lässt sich nicht mehr ändern.« Mark malte mit dem Finger auf der beschlagenen Scheibe. »Ich werde sicher noch viel an Grandma denken, vielleicht bewusster als in der Vergangenheit.« Er stieß sich vom Sims ab. »Aber deshalb muss ich ja jetzt nicht den trauernden Hinterbliebenen spielen. Das ist nun mal nicht meine Art. Außerdem glaube ich, dass das gar nicht im Sinne von Grandma Ottilia wäre.«
    »Und warum die Champagnerflasche? Hat sie etwas mit der Testamentseröffnung zu tun?«
    »Hat sie, ja, Norma, hat sie. Ich glaube, wir machen sie jetzt einfach auf, ganz vorsichtig.«
    Mark nahm die Flasche, löste die Klammer und ließ den Korken langsam kommen. Der Champagner schäumte in die Gläser.
    »Also, Norma, du kennst mich als Menschen, dem materielle Dinge relativ wenig bedeuten.«
    »Stimmt, leider. Deshalb kann ich dich so schlecht zur Arbeit bewegen«, warf Norma ein.
    »Und da ist es geradezu eine Ironie des Schicksals, dass ich dank des letzten Willens meiner Großmutter unversehens zum reichen Mann geworden bin. Ich habe das Haus am Gardasee geerbt und so gut wie ihr ganzes erstaunlich großes Vermögen.« Mark hob sein Glas und stieß mit Norma an. »Ein Toast auf meine Grandma Ottilia!«
    »Ich gratuliere dir wirklich von ganzem Herzen.« Norma gab Mark zwei Küsschen auf die Wangen. »Aber ich weiß auch, was das bedeutet,

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