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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Ehrenkodex, der ihm allerdings schon immer lächerlich vorgekommen war. Er wählte den Bereich von achtzehn bis vierundzwanzig. Sollten die Würfel ihm diesen Rat geben, würde er ihn umgehend in die Tat umsetzen.
    Er stand auf und lief vor dem Tisch auf und ab. Eine weitere Möglichkeit wäre, einen Geldtransporter zu überfallen. Natürlich nicht einen der großen Spielbanken, nein. Die illegalen Clubs, in denen sich die wirklichen Zocker ein Stelldichein gaben und die er wie kaum ein anderer kannte, auch diese Spielbanken hatten ihre Geldtransporter. Damit würde er sich aber mit einem der Syndikate anlegen, die diese Clubs unterhielten. Keine so gute Idee.
    Eine oder mehrere Erpressungen waren dagegen zweifellos viel Erfolg versprechender. Er kannte aus dem Spielermilieu ein paar hochrangige und sehr respektierte Persönlichkeiten, die alles tun mussten, um diese heile Fassade aufrechtzuerhalten. Würde er ihnen die Daumenschrauben ansetzen, damit drohen, Beweismaterial an die Presse zu geben, dann mussten diese hohen Herren die Hosen runterlassen. Ein köstlicher Gedanke. Wusste er doch zudem von einigen, dass sie sich nach geheimen Pokerrunden, bei denen Unsummen gesetzt wurden, auch noch mit Prostituierten vergnügten. Diesem Erpressungsgedanken sollte er eine wirklich angemessene Chance einräumen. Von fünfunddreißig an aufwärts würde er sich für diese Option entscheiden und sogleich eine Liste mit potenziellen Kandidaten aufstellen.
    Blieb noch die Lücke von fünfundzwanzig bis vierunddreißig. Auch für diese Eventualität sollte er eine zündende Idee entwickeln. Er hatte schon einige Male darüber nachgedacht, ob eine Entführung Erfolg versprechend sein könnte. Der entscheidende Nachteil lag auf der Hand. Man konnte eine Entführung mit anschließender Lösegelderpressung kaum alleine bewerkstelligen. Und Komplizen waren eine unberechenbare Schwachstelle. Und als weiteres Problem kam hinzu, dass seines Wissens die meisten Entführungen bei der Lösegeldübergabe schief gingen. Aber mit etwas Intelligenz sollte auch eine Entführung zu realisieren sein. Das wäre sicherlich eine spannende Angelegenheit. Blieb die Frage nach dem Entführungsopfer, das vor allem eines haben musste – ausreichend Kapital. Er setzte sich wieder auf den Stuhl und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Gerade war ihm ein geeigneter Kandidat eingefallen. Eine sehr amüsante Vorstellung, in der Tat.
    Er spürte, wie ihm Schweiß auf die Stirn trat. Warum hatte er nur den Selbstmord in die Liste aufgenommen? War er von allen guten Geistern verlassen? Ihm war warm und kalt zugleich. Wie auch immer, jetzt mussten die Würfel entscheiden. Er betrachtete sie noch einmal liebevoll und rollte sie dann zwischen den Handflächen, wobei er sie wie immer leicht anblies. Nun formte er die Hände zu einem Hohlkörper, schloss die Augen und atmete tief durch. Dreimal schütteln und auf den Tisch damit – zweimal die Eins und eine Drei!
    Was war er doch für ein Narr? Der Selbstmord rückte plötzlich in greifbare Nähe. Sollte er sein Leben wirklich auf diese unwürdige Weise verlieren. Und kein Mensch würde je begreifen, dass es nicht seine Entscheidung gewesen war, sondern ein fataler Irrtum dreier elfenbeinerner Würfel.
    Zitternd wiederholte er das Ritual. Kurz darauf purzelten die Würfel ein zweites Mal auf die Tischplatte – die Drei und zweimal die Zwei. Das durfte doch nicht wahr sein. Jetzt hatte er erst zwölf Punkte auf seinem Konto. Die Würfel stellten ihn heute wirklich auf eine unbarmherzige Probe. Noch einmal eine so niedrige Augenzahl, und er war fällig. Er spürte, wie ihm plötzlich speiübel wurde. Noch im Aufstehen musste er sich erbrechen. Was war er für ein Jammerlappen, von dieser Seite kannte er sich überhaupt nicht. Er nahm sein Taschentuch und reinigte sich flüchtig den Mund. Er konnte jetzt keine größere Unterbrechung brauchen, er musste es zu Ende bringen, und zwar sofort.
    Schon schüttelte er die Würfel zum alles entscheidenden dritten Mal. Mit allzu viel Schwung warf er sie auf den Tisch. Sie überschlugen sich, tanzten zur Tischkante. Ein Würfel blieb auf dem Tisch liegen, die anderen fielen hinunter. Ungläubig starrte er auf die Zwei. Eine Zwei! War das sein Todesurteil? Tränen liefen ihm über die Wangen.
    Er ging auf die Knie und robbte über den Boden. Wo waren die beiden anderen Würfel? Da lagen sie, dicht nebeneinander, bereit, ihm das Genick zu brechen. Plötzlich fing er an zu

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