Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
mit dem Entführten geschlafen habe oder nicht, dürfte Sie bei Ihren Ermittlungen wohl kaum weiterbringen.«
Rudolf Krobat lief nervös im Zimmer auf und ab. Nur noch wenige Minuten waren es bis einundzwanzig Uhr. Der angekündigte Anruf der Entführer rückte immer näher. In der Ecke saß Marks Anwalt Dr. Leuttner und hielt eine große braune Tasche fest umklammert. Laura Zanetti lehnte am Fenster. Über einen Dolmetscher verständigte sich Hauptkommissar Wächter mit dem martialisch aussehenden Comandante der inzwischen eingetroffenen Antiterroreinheit. Commissario Sanabotti, der dabeistand, zog seine Krawatte aus dem Hemdkragen und stopfte sie kurzatmig in die Jackentasche. Draußen hörte man die Rotorgeräusche eines weiteren Helikopters, der zur Landung ansetzte. Er war mit speziellen Infrarot- und Wärmekameras ausgestattet, die auch in der Nacht eine Verfolgung der Entführer nach der Lösegeldübergabe ermöglichen sollten. Allerdings waren sich die Kriminalbeamten noch nicht einig, ob der Hubschrauber zum Einsatz kommen sollte. Schließlich durfte das Leben des Entführten nicht gefährdet werden.
Das Telefon klingelte. »Avanti, avanti!« Rudolf Krobat, der sich gerade eine Zigarette angezündet hatte, steckte diese dem verdutzten Commissario Sanabotti zwischen die Lippen und eilte ans Telefon. Kommissar Wächter hob noch kurz die Hand, das Tonbandgerät wurde eingeschaltet, dann gab er Rudolf Krobat das Zeichen zum Abheben.
»Krobat, Rudolf Krobat am Apparat.«
»Signor Krobat, haben Sie das Geld?«
Rudolf Krobat sah hinüber zu Dr. Leuttner und der braunen Tasche. »Ja, habe ich. Wie geht es Mark?«
»Noch geht es ihm gut. Alles weitere hängt von Ihnen ab. Ich nehme an, Sie sind in bester Gesellschaft. Grüßen Sie Commissario Sanabotti von mir.«
Sanabotti fiel die Zigarette aus dem Mund.
»Was soll ich tun?«
»Haben Sie ein Handy?«
»Ja.«
»Sagen Sie mir die Nummer!«
Kommissar Wächter nickte zustimmend. Nachdem Rudolf Krobat die Telefonnummer durchgegeben hatte, forderte ihn der Anrufer auf, Punkt einundzwanzig Uhr dreißig in ein Auto zu steigen, alleine und mit dem Lösegeld, und über Affi auf die A22 Richtung Verona zu fahren. Über das Handy würde er weitere Anweisungen erhalten.
»Und sagen Sie Commissario Sanabotti, er soll alle Polizisten und Spezialeinheiten zurückpfeifen. Sobald wir merken, dass Sie überwacht werden oder ein Helikopter in der Luft ist, brechen wir alles ab, und Sie sehen Ihren Bruder niemals wieder. Verstanden?«
»Ja, verstanden. Ich werde alleine unterwegs sein.«
»Und vergessen Sie das Lösegeld nicht!« Über die Lautsprecher war das Lachen des Entführers zu hören. Dann war die Leitung tot.
»So, die Tasche ist mit einem Sender versehen«, erklärte Hauptkommissar Wächter und stellte sie Rudolf Krobat auf den Beifahrersitz des BMW . »Das Auto ist von der bayrischen Kriminalpolizei und kann jederzeit fast auf den Meter genau geortet werden. Der Wagen ist voll getankt, hier ist Ihr Handy, wir haben noch den Akku gegen einen frischen ausgewechselt, da kann also auch nichts passieren. Außerdem ist das Handy so präpariert, dass wir jedes Gespräch mithören können. Ansonsten bin ich mir mit meinen italienischen Kollegen einig, dass wir ausreichend Abstand zu Ihnen halten werden. Wir werden erst zuschlagen, wenn wir sicher sind, dass wir Mark Hamilton damit nicht gefährden.«
»Dass das Leben von Mark absolute Priorität hat, ist doch wohl klar. Das müssen Sie mir versprechen!«, sagte Rudolf Krobat mit lauter Stimme, während er den Fahrersitz verstellte.
»Das habe ich doch gerade«, versuchte ihn Kommissar Wächter zu beruhigen. »Und auch Ihnen wird nichts passieren. Sie werden sehen. Das Lösegeld werden wir ebenfalls sicherstellen. Ich bin sehr zuversichtlich.«
»Na, hoffentlich haben Sie Recht.« Rudolf Krobat startete den Motor der schweren Limousine.
»Hier, noch eine Straßenkarte, falls Sie sich nicht mehr zurechtfinden.«
»Danke, ich kenn mich in der Gegend zwar ganz gut aus, kann aber nicht schaden. Also, drücken Sie mir die Daumen.«
»Wo sind Sie?«
Rudolf Krobat steuerte mit der linken Hand und hielt mit der rechten das Handy ans Ohr. »Kurz vor dem Autobahnkreuz Mailand-Venedig.«
»D’accordo. Biegen Sie Richtung Mailand ab, und verlassen Sie die Autobahn bei der Ausfahrt Sommacampagna.«
»Verstanden. Und dann?«
»Geduld, Sie hören wieder von mir.«
Rudolf Krobat legte das Handy auf den
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