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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Antiquitäten erhielt, war als vage Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Aber dieser Zufall wäre doch allzu unwahrscheinlich. Auch wenn es ihm eigentlich widerstrebte und sich alles in ihm gegen diesen Gedanken sperrte, setzte sich in seinem Kopf immer mehr die Vorstellung durch, dass Rudolf etwas mit seiner Entführung zu tun haben könnte.
    »Die Gondel ist wie geschaffen für Liebende. Es gibt eine venezianische Legende, nach der einst der Halbmond vom Himmel fiel …«
    Mark saß mit dem Rücken zur Gruppe und sah hinauf zum blauen Himmel. Ignorierte man einmal die Tatsache, dass Rudolf so reich war, dass er die Lösegeldzahlung aus einer Entführung nicht benötigte, ignorierte man, dass er zur Familie gehörte – zog man all dies nicht in Betracht, dann ließen sich einige Puzzlesteine erschreckend gut zusammenfügen. Rudolf war nach dem Tod ihrer gemeinsamen Großmutter beim Erbe fast gänzlich leer ausgegangen. Rudolf wusste sehr genau, wie viel man von ihm bei einer Entführung fordern konnte. Er kannte die Villa am Gardasee. Rudolf war durch seinen Weinhandel sehr häufig in Italien, liebte das Land, sprach ausgezeichnet Italienisch und hatte viele Kontakte. Es war also gut möglich, dass er auch Alessandro kannte, um ihn als Handlanger einzusetzen. Aber warum sollte sich Alessandro, der in Diensten des Principale stand, dazu hergeben? Und welches Motiv könnte Rudolf haben? Nun, er wusste nicht besonders viel von seinem Halbbruder, aber gerade in den letzten Monaten hatte er ihn besser kennen gelernt und bei aller Gegensätzlichkeit auch immer sympathischer gefunden. Gut, vielleicht war Rudolf gar nicht so reich, vielleicht steckte er in finanziellen Nöten? Aber eine solche Entführung, die erforderte doch eine immense kriminelle Energie, die er sich bei ihm einfach nicht vorstellen konnte. Außerdem war sich Hauptkommissar Wächter sicher, dass hier Profis am Werk waren. Im Falle Alessandros war diese Einschätzung ja auch zutreffend, sah man einmal davon ab, dass kaum nachvollziehbar war, warum Alessandro die beiden Bronzestatuen mitgenommen hatte.
    »Bitte folgen Sie mir, unser nächstes Ziel ist die nahe gelegene Peggy-Guggenheim-Collection im Palazzo Venier dei Leoni. Peggy Guggenheim hatte diesen Palast 1947 gekauft und dort eine der bemerkenswertesten Sammlungen der klassischen Moderne zusammengetragen. Mit Gemälden und Skulpturen von Kandinsky, Miró und Magritte über Jackson Pollock und Mondrian bis hin zu Picasso und Max Ernst, mit dem sie in zweiter Ehe verheiratet war. Peggy Guggenheim war …«
    Mark rutschte von der Mauer und lief in einigem Abstand hinter der Reisegruppe her. Er versuchte sich an die Einzelheiten der Lösegeldübergabe zu erinnern, wie sie ihm von Hauptkommissar Wächter und von Rudolf selbst geschildert worden waren. Angenommen, Rudolf steckte hinter der Entführung, dann wäre die Geldübergabe geradezu genial gewesen. Alessandro – mal unterstellt, dass er es war, der mit der Polizei telefoniert hatte – wollte einen Familienangehörigen für die Lösegeldübergabe. Da kam ohnehin einzig Rudolf in Betracht. Dieser hätte dann einzig die leere Tasche aus dem Auto werfen müssen. Während die Polizei die Gegend um die kleine Brücke hermetisch abriegelte, wäre er mit dem Geld unbehelligt weitergefahren und hätte es in aller Ruhe irgendwo deponieren können. Die beiden Fahrräder wären in diesem Fall nur eine falsche Fährte gewesen. So könnte es gewesen sein, aber das war noch lange kein Beweis, dass es sich wirklich so zugetragen hatte. Schließlich gab es nur diese Telefonnummer in Alessandros Speicher, das war auch schon alles. Nur eine Telefonnummer! Berechtigte ihn dieser einzige Hinweis, einen solch kühnen Verdacht zu hegen? Mark beschleunigte seinen Schritt, um nicht den Anschluss zur Gruppe zu verlieren. Dabei fasste er einen Entschluss. Er würde in den nächsten Tagen nach München fahren und dort seinem Halbbruder einen Überraschungsbesuch abstatten. Und er würde nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern ihn direkt mit seinem Verdacht konfrontieren. Mark hoffte inständig, dass Rudolf den Verdacht sofort mit einer plausiblen Erklärung zerstreuen könnte. Dann würde er sich bei ihm entschuldigen, auf seine angespannten Nerven verweisen, ihn zu einem Abendessen einladen, die Sache mit der Telefonnummer vergessen und am nächsten Tag Hauptkommissar Wächter alles über Alessandro erzählen. Okay, genauso wird es laufen!
    »Der Palast

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