Vereist (German Edition)
das Gefühl, dass ihre Haut dünner wurde, empfindlicher. Sie spürte jedes Wort, jede Bewegung der Männer in dem überfüllten Flugzeug überdeutlich. Die Anspannung war kaum noch auszuhalten,und ihr war, als könnte ein falsches Wort dafür sorgen, dass ihre Eingeweide aus ihr herausplatzten.
Tyrone hatte ein bisschen geredet. Er war nicht verwirrt gewesen und schien sich ganz gut an die Stunden vor dem Crash zu erinnern. Brynn deutete das als positives Zeichen und schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. Den Kopf wollte er lieber ganz still halten. Er sagte, selbst bei der kleinsten Bewegung würde sich sein Blick vernebeln und er hätte das Gefühl, ihm würden Nägel ins Gehirn getrieben.
Er tat ihr leid.
Brynn wälzte sich neben Tyrone auf dem Boden hin und her und wünschte sich, sie könnte wie er einfach wegdösen. Sie war hundemüde, ihre Muskeln schmerzten, aber ihre Gedanken standen nicht still. Die Sorge um Alex setzte sie zu sehr unter Strom.
»Hey, bist du wach?«, fragte Liam leise. Er beugte sich in den Frachtbereich.
»Ja.« Wie sollte sie schlafen?
Er legte sich neben sie und zog sie an sich. So in Löffelchenstellung hatten sie tausendmal geschlafen. Brynn schloss die Augen und entspannte sich ein bisschen. Ihre Gedanken drehten sich ein wenig langsamer. Im Augenblick tat der Körperkontakt ihr gut und tröstete sie ein bisschen.
»Ich hätte dich nie mit zu diesem Einsatz gelassen.« Liams Arm schlang sich fester um ihre Taille, seine Stimme war ein scharfes Flüstern.
»Ich weiß.« Sofort war die Anspannung zurück.
»Du hättest mich an dem Morgen wecken sollen.«
»Damit du mich aufhalten kannst?«, zischte sie.
Nicht jetzt, Liam. Bitte nicht jetzt.
»Ja.«
»Ein Flugzeug ist abgestürzt, Liam. Es hätte sein können, dass jemand medizinische Hilfe braucht. Ich weiß, was ich tue. Ich bin kein Dummchen, das sich zufällig im Wald verirrt hat.« Brynn flüsterte. Sie wollte nicht, dass Jim und Ryan, die in den Sesseln saßen, das Gespräch mithörten.
»Aber letztes Jahr …«
»Die Felsbrocken hätten jeden treffen können. Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Muss er ständig wieder davon anfangen?
»Und bei diesem Einsatz jetzt?« Seine Frage hing in der Luft.
Diesmal war sie eindeutig zur völlig falschen Zeit am völlig falschen Ort.
»Ich bin keine Hellseherin.«
»Wir müssen das ein für alle Mal klären, Brynn. Ich will nicht, dass meine Frau ihren Hals riskiert …«
»Ich bin nicht deine Frau«, fauchte sie.
»Nein. Noch nicht. Aber …«
»Und ich werde auch nie deine Frau sein, Liam.« Sie schlug einen sanfteren Ton an, sprach aber trotzdem mit Nachdruck. Brynn stand zu jedem einzelnen Wort, das sie sagte und zweifelte nicht an ihrer Entscheidung.
Liam lag stumm da.
»Es tut mir leid, Liam. Aber ich habe dir bereits gesagt, dass ich dich nicht heiraten werde. Und jetzt … zwischen uns ist schon so lang so viel schiefgelaufen. Ich kann meine Arbeit nicht einfach so aufgeben. Und das solltest du auch nicht von mir verlangen. Ich habe das Gefühl …«
»Ich liebe dich, Brynn.«
Ihr Herzschlag stockte einen Moment lang.
Nicht fair
. »Ich liebe dich auch, Liam. Aber nicht so, wie es sein sollte.«
»Wie meinst du das?«
Er kannte die Antwort, das hörte sie seiner Stimme an. Aber er hatte die Frage dennoch gestellt. Für sie war das Gespräch eigentlich beendet.
»Ich möchte, dass du deine restlichen Sachen bei mir abholst. Du weißt so gut wie ich, dass es zwischen uns schon eine ganze Weile aus ist. Du kannst nicht mehr bei mir einziehen.«
Sein Arm sank schwer um ihre Taille. Brynn hörte ihn ausatmen und spürte, wie er das Gesicht in ihr Haar drückte. Sie kniff die Augen zu und spürte, wie sich Tränen gegen ihre Lider drängten.
Eine unendliche Minute lang sagte Liam nichts. Er lag reglos da, atmete schwer, aber ruhig.
Brynn wartete.
»Okay.« Er sprach langsam. »Aber lass uns erst Tyrone aus dieser verdammten Eishölle bringen.«
Brynn konnte es nicht fassen. Er hatte »okay« gesagt, um sie zu beschwichtigen und das Unausweichliche noch eine Weile aufzuschieben. Schon wieder.
Warum will er mich nicht verstehen?
Kiana bellte. Mit einem Ruck befreite sich Brynn aus Liams Armen, setzte sich auf und sah zur Tür. Ryan und Jim standen bereits mit gezogenen Waffen am Eingang. Ryan wankte ein bisschen; er bewegte sich deutlich langsamer als Jim.
Eigentlich sollte er nicht mit einer Waffe hantieren.
»Jim? Hier ist Alex. Wir
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