Vereist (German Edition)
Umgebung konnte er dem Suchtrupp nicht beschreiben, weil er sie nur verschwommen wahrnahm.«
»Heiliger Strohsack. Eigentlich nur eine Kleinigkeit. Aber die hat euren Einsatz ziemlich erschwert«, sagte Alex erstaunt.
»Wir haben ihn gefunden. Das ist die Hauptsache.«
Ryans Husten klang wie eine Bestätigung. Brynn sah, wie er und Alex einander kurz angrinsten.
»Lasst uns weitergehen.« Jim warf sich den Rucksack über und forderte Brynn mit einer Geste auf voranzugehen. Alex hob ihren Rucksack für sie hoch und hielt ihn fest, während sie mit den Armen in die Träger schlüpfte. Als sie ihm dankend zunickte, hielt sie einen Moment lang seinen silbergrauen Blick fest. Derart entspannt schaute er zum ersten Mal drein. Zufrieden, dass sie es erneut geschafft hatte, den kühlen Panzer zu knacken, unterdrückte sie ein Lächeln.
Alex aus seinem Schneckenhaus zu holen, war eine Herausforderung, und das machte ihr Spaß.
Als sie aus dem Schutz der Bäume trat, schlugen ihr Schnee und Wind ins Gesicht. Ihre Brust zog sich aus Protest gegen die kalte Luft zusammen. Wenigstens sah es so aus, als ließe das Schneetreiben ein wenig nach. Die Flocken fielen nicht ganz so dicht wie zu Anfang der Pause.
Brynns Stiefel sanken in fünfzehn Zentimeter tiefen Schnee. Sie drehte sich zu Ryan um, der die weitere Marschrichtung festlegen sollte. Er hatte bereits einen Blick auf sein GPS geworfen und es zeigte Richtung ein Uhr. Die Männer reihten sich hinter ihr ein.
Während sie sich einen kaum sichtbaren Pfad entlang kämpften, lästerte Ryan weiterhin über den halbblinden Wanderer und malte Alex in allen Einzelheiten die Probleme aus, die der Mann dem Suchtrupp bereitet hatte. Brynn ließ Ryans Schilderung an sich vorbeirauschen, warf aber bald einen Blick über die Schulter, weil er so seltsam prustete.
Doch geprustet hatte nicht Ryan. Er sah sich ebenfalls um. Jim und Thomas standen bereits mit gezogenen Waffen vor einem Rhododendrongebüsch ein Stück abseits vom Pfad.
»Brynn.« Jims Stimme hatte einen drängenden Ton. »Komm zurück.«
Mit hämmerndem Herzen machte Brynn kehrt und eilte hektisch die wenigen Meter zurück zur Gruppe. Sie versuchte, in das verfilzte Unterholz zu spähen. Dieses raue Geräusch kannte sie. Er wurde heftiger und lauter.
Wo ist Kiana?
Mit angehaltenem Atem sah sie sich nach der Hündin um und war froh, dass sie sich gerade nicht in der Nähe befand. Mit etwas Glück verfolgte Kiana im Augenblick ein gutes Stück entfernt ein Kaninchen oder ein Eichhörnchen.
»Was schnauft denn da so seltsam?«, fragte Alex leise. Inzwischen hielten auch er und Ryan ihre Pistolen in der Hand. Alle vier Männer zielten auf das Gebüsch.
»Bär. Schwarzbär«, nuschelte Ryan aus dem Mundwinkel.
»Ich sehe nichts.« Alex’ Stimme war ein gepresstes Flüstern.
»Aber er ist definitiv da drin.« Ryan bewegte den Finger Richtung Abzug.
Brynn riss zwei Steine aus dem Schnee und schleuderte sie ins Gebüsch. »Himmel noch mal, schreit, verdammt! Ihr müsst ihn doch nicht erschießen. Schreit und macht Krach!« Der Schrei, den sie ausstieß, ließ Alex’ Augenbrauen in die Höhe schnellen. Die anderen Teammitglieder fingen an zu grölen. Die Antwort war ein Schnauben. Dann knackten die Äste, als der Bär aus dem Unterholz brach und die Flucht ergriff.
Mit einem kollektiven Seufzen ließen die Männer die Waffen sinken. Nur einer nicht.
»Scheiße.« Alex zielte immer noch mit steifen Armen auf den Rhododendron.
»Er ist weg.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?« Er konnte den Blick nicht von dem Busch losreißen.
»Er war bloß neugierig. Normalerweise greifen Bären nicht an.«
»Normalerweise.« Wiederholte Alex trocken.
Jim klopfte Alex auf die Schulter. »Steck das Ding wieder weg. Falls er es sich anders überlegt und zurückkommt, hören wir es.« Alex ließ die Waffe langsam sinken, steckte sie aber nicht in das Schulterholster zurück. »Ich glaube es einfach nicht.« Kopfschüttelndsah er von einem Teammitglied zum anderen, dann wieder in den Wald. Er runzelte fassungslos die Stirn.
Brynn verstand seinen Schrecken. Sie erinnerte sich noch gut an ihre erste Begegnung mit einem Schwarzbären. Beim Zelten. Damals war sie sicher noch keine sechs Jahre alt gewesen. Der Bär hatte sich den Fisch geschnappt, den ihr Vater gerade geangelt hatte, und sich damit davongemacht. Sie konnte das schwarze, pelzige Hinterteil noch immer vor sich sehen, das die Schotterpiste entlangsauste – und das
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