Vereist (German Edition)
Augenpaare blinzelten sie an.
Ahnten die anderen, dass sie kurz davor war, in die Knie zu gehen?
Ryan schüttelte mit einem verkniffenen Lächeln den Kopf. »Ich weiß nicht, wie du das machst, Brynn.« Dann zog er seufzend sein GPS aus der Tasche.
Seit dem Fluss war Alex sehr still gewesen, aber Brynn hatte ihn immer wieder dabei ertappt, wie er sie anstarrte. Mal verwirrt, mal ärgerlich. Verständlich, nach dem, was sie dem Team gerade zugemutet hatte. Sie selbst schwankte auch immer noch zwischen Entsetzen und Abscheu über ihre Unfähigkeit.
Doch Alex’ Blicke sagten ihr, dass er nicht wirklich der kalte, stumme Soldat war, als der er zum Team gestoßen war. Seine Gefühle waren ebenso deutlich sichtbar geworden wie die aller anderen.
Er hat ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben gehandelt.
Als sie einen Moment lang die Augen zumachte, sah sie das entschlossene, wütende Gesicht vor sich, mit dem er sie an der Jacke von der Brücke gezerrt hatte. Der Schreck darüber hatte sie aus ihrer Erstarrung gerissen. Sie hatte sich bereits damit abgefunden gehabt, dass sie im Wasser landen würde. Warum hatte er für zwei Menschen, die er kaum kannte, so viel riskiert?
Und hinterher hatte er keine Stressreaktionen gezeigt. Keine weichen Knie, keine Stoßatmung. Untypisch für jemanden, der dem Tod so nahe gewesen war. Lag das an seiner Marshal-Ausbildung? Oder war es ihm egal, dass er fast zur menschlichen Eisscholle geworden wäre? Dass sie zur Salzsäule erstarrt war, hatte ihn deutlich mehr schockiert.
Alex hatte schwarzes Haar, und seine Haut hatte den leichten Bronzeton, der genetisch bedingt war und nicht von der Sonne kam. Wegen der dicken Jacke und der Hosen, die er übereinander trug, konnte sie seinen Körperbau nicht gut beurteilen. Aberirgendetwas sagte ihr, dass er stahlharte Muskeln hatte. Sie hatte gehört, dass Marshals täglich Krafttraining machen und ziemlich strengen körperlichen Voraussetzungen genügen müssen. Brynn beobachtete, wie sich in seinem Nacken und seinem Kiefer ein gut definierter Muskel spannte, als er den Kopf zu ihr drehte. Sie schätzte, dass er zehn bis fünfzehn Jahre älter war als sie. Etwa gleich alt wie Jim. Sie selbst war achtundzwanzig.
»Erklär mir einer, wie man diesen Rotz hier auch noch freiwillig machen kann.«
Brynn nahm an, dass Alex auf seine missmutig gemurmelte Frage nicht wirklich eine Antwort erwartete.
Sie bemühte sich um einen heiteren Ton.
»Aus purem Spaß an der Freude.«
Er warf ihr über die Schulter hinweg einen langen Blick zu. »Nein, im Ernst. Warum ziehst du immer wieder los?« Das kühle Grau seiner Augen wärmte seltsamerweise ihre Wangen. Schon bei der Begrüßung heute Morgen hatte er sie durcheinandergebracht. Das angenehme Prickeln, mit dem ihr das Blut in den Kopf gestiegen war, hatte sie überrascht. Positiv. Den anderen Männern hatte nicht gepasst, wie lang Alex sie anstarrte, und sie hatte über dieses testosterongesteuerte Beschützergehabe die Augen verdreht. Nach einem Dutzend gemeinsamer Einsätze betrachteten die Teammitglieder sie offenbar allesamt als ihre Ersatzväter.
Um sich abzulenken, rief sie sich die zurückliegenden Einsätze in Erinnerung. Nichts Großartiges. Nichts Sensationelles. Nicht so wie der Einsatz der beiden Männer, die eine siebzigjährige Großmutter gefunden hatten, die zehn Tage lang durch die Wildnis geirrt war. Alle hatten geglaubt, sie sei tot. Aber die beiden hatten nach Feierabend noch einen letzten Versuch unternommen. Und die Frau gefunden.
Dieser Vorfall stand symbolisch für Brynns eigenen inneren Antrieb.
Sie hatte die Möglichkeit, Menschen zu helfen, die sich in scheinbar ausweglosen Situationen befanden.
Alex Kinton zu überzeugen, dass ihr Einsätze wie dieser tatsächlich Spaß machten, würde nicht leicht sein. Wie ungern er hier draußen in der Wildnis war, war nicht zu übersehen. Zwar beklagte er sich nicht über das Wetter und den sumpfigen Wald, aber seine Augen sprachen Bände.
»Menschen brauchen manchmal Hilfe. Und ich helfe gern und denke, dass ich das auch ganz gut mache. Ich kann vielleicht sogar Leben retten. Dafür nehme ich das Wetter und die Anstrengungen in Kauf. Und Spaß macht es oft auch.«
»So wie heute?« Sarkasmus pur.
»Es gibt schlimmere Tage.«
Alex schaute sie verblüfft an. Ganz offensichtlich dachte er an die Flussüberquerung.
Unbeirrt fuhr sie fort: »Mit den Jungs hier draußen unterwegs zu sein – das hat was. Man schwimmt in Adrenalin
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