Vereist (German Edition)
Zeltgenossen schnarchten wie Kettensägen. Besonders Ryan. Am Morgen hatte Ryan so heftig gehustet und war so blass gewesen, dass Brynn sich ernsthafte Sorgen um ihn gemacht hatte. Er hatte Brynn mit den Worten verscheucht, er würde vermutlich eine Erkältung ausbrüten, sei aber fit genug, um weiterzumarschieren. Alex fand, dass Ryan aussah wie ein Gespenst, hielt aber den Mund.
Mechanisch folgte er Thomas’ Schritten, hielt dabei aber stets Ausschau nach Erdrutschen und arbeitete sich vorsichtig voran. Thomas hatte ihm aus Ästen, einem Stück Schnur, Draht und ein paar Gummischnüren innerhalb einer knappen halben Stunde Schneeschuhe gebastelt. Alex hatte bewundernd zugesehen. Alle anderen hatten leichte Aluminiumschneeschuhe aus ihren Rucksäcken gezogen.
»Ich wüsste gern, warum Collins keine Schneeschuhe eingepackt hat.« Jim hatte kopfschüttelnd zugeschaut, wie Thomas ein Band um die biegsamen Äste wickelte.
»Wann war der Sheriff zum letzten Mal selbst mit auf einem Sucheinsatz? Er ist doch immer für die Koordination im Basislager zuständig«, hatte Brynn gesagt und dabei mit der Hand über Kianas dichten Pelz gestrichen. Alex hätte schwören können, dass der Hund lächelte.
Thomas hatte die Schneeschuhe mit elastischen Bändern an Alex’ Stiefeln befestigt. Nach den ersten begeisterten Probe-schritten war Alex sich selbst auf die Füße gestiegen und hingefallen. Thomas hatte gegrinst. Alex rappelte sich mit einem schiefen Lächeln auf und versuchte es noch einmal. Thomas’ Kreationen gefielen ihm zu sehr, als dass ihm der Ausrutscher peinlich gewesen wäre. Er war im Kreis herumgestapft, bis er den Bogen herausgehabt hatte.
Nach der ersten Pause hatte es aufgehört zu schneien und sie hatten ein paar Stunden Ruhe vor dem Schnee. Zwar hingen aucham Mittag die Wolken tief am dunklen Himmel, aber der Wind schien ein wenig nachzulassen. Das Basislager hatten sie schon kurz nach ihrem Aufbruch am Vortag nicht mehr telefonisch erreichen können, und so war es geblieben.
»Ich glaube nicht, dass das die Wetterberuhigung ist, von der die Rede war«, sagte Jim. »Sicher riskiert jetzt noch kein Pilot einen Start. Hier schneit es zwar gerade nicht, aber im Basislager kann es ganz anders aussehen. Wenn wir etwas höher oben sind, versuchen wir noch mal anzurufen. Aber ich dachte mir schon, dass wir bei diesem Einsatz vielleicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind.«
Hinter einer kleinen Felskuppe, die etwas Schutz vor dem Wind bot, ließen sie sich zur Mittagspause nieder. Ryan riss sich den Rucksack von den Schultern und plumpste in den Schnee. Er sah grauenhaft aus. Sein Atem rasselte, und seine Stirn triefte vor Schweiß. Brynn drängte ihn, etwas zu essen, doch er schüttelte den Kopf.
»Ich traue meinem Magen im Augenblick nicht.«
Er trank etwas Wasser, doch Alex fiel auf, wie wenig es war. Jim deutete zum Himmel hinter ihnen. »Sieht aus, als hätte ich Recht gehabt, was das Wetter unten im Camp angeht.« Im Westen war der Himmel fast schwarz. Von ihrer kleinen Lichtung aus hatten sie eine gute Sicht auf die steilen, dunklen, mit Schnee gepuderten Waldhänge.
»Mir war gar nicht klar, dass wir so hoch aufgestiegen sind.« Alex spähte den Berghang hinab. Sie hatten so viele Steigungen und Gefälle überwunden, dass er das Gefühl gehabt hatte, sie würden sich letztlich immer auf derselben Höhe bewegen. Nur die Schneetiefe verriet ihm, dass das nicht sein konnte.
Thomas nickte. »Ich denke, wir befinden uns auf etwa dreizehn- oder vierzehnhundert Metern.«
Jim war anderer Meinung, aber Alex ließ den Disput an sich vorbeirauschen. Er beobachtete Brynn unauffällig und wartete darauf, dass sie aufspringen und vermitteln würde. Aber sie hatte nur Augen für Ryan. Der jüngere Mann schüttelte auf ihre leisen Fragen hin den Kopf. Die Hand, die sie ihm auf die Stirn legte, schober weg. Brynn funkelte ihn an, doch ihre Bemerkung verstand Alex nicht. Sie musste ziemlich scharf gewesen sein, denn Ryan ließ die Schultern sacken und den Kopf hängen.
Plötzlich sprang er auf, machte vier große Schritte von der Gruppe weg, würgte und erbrach sich. Bevor Alex sich auch nur aufgerappelt hatte, war Brynn schon bei Ryan, hielt ihm den Kopf und redete leise auf ihn ein.
Die Besorgnis auf ihrem Gesicht berührte Alex. Er dachte daran, wie seine Mutter ihm als Kind den Kopf gehalten hatte, wenn er krank gewesen war. Das eklige Zeug, das Ryan in den Schnee spuckte, schien Brynn nichts
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