Vereist (German Edition)
sich zu verstecken, ließ ihre Nervenenden prickeln. Besand war ein rücksichtsloser Killer. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass hinter den Bäumen Hunderte Augen auf sie lauerten. Sie rückte etwas näher an Alex heran.
Zum ersten Mal im Leben wünschte sie sich, sie hätte eine Waffe.
Darrin Besand rieb sich die Augen und starrte dann noch angestrengter durch das Fernglas, das er in der Tasche des Piloten gefunden hatte. Dann ließ er es sinken und versuchte es mit bloßen Augen. Doch die Entfernung war zu groß. Ohne das Glas konnte er nur strahlend rote Flecken im Schnee erkennen. Und einen Mann in Blau. Erneut schaute er konzentriert durch den Feldstecher.
Das ist sicher nur Einbildung.
Aber der Mann, der sich vorsichtig mit gezogener Waffe dem Flugzeug näherte und die andere Hand schützend nach der Frau hinter ihm ausstreckte, sah tatsächlich aus wie Alex Kinton. Auf den ersten Blick hatte Darrin auch die Frau für einen Mann gehalten. Groß genug war sie. Doch unter ihrer Kapuze lugte langes blondes Haar hervor, und sie bewegte sich mit weiblicher Anmut. Ein paar Sekunden lang beobachtete er sie und genoss ihren Anblick. Dann nahm er wieder die Person vor ihr ins Visier. Sein Magen zog sich im Schock zusammen.
Sein Herz schlug plötzlich doppelt so schnell. Er konnte sein Glück kaum fassen. Erst hatte er einen Flugzeugabsturz überlebt,bei dem drei Männer gestorben waren, und jetzt stapfte Alex Kinton hier draußen herum.
Alex war ihm vor drei Jahren zum ersten Mal begegnet. Nie zuvor hatte Darrin jemanden getroffen, der so viel Schmerz und Leiden ausstrahlte. Aber er hatte die Finger von dem Mann gelassen. Normalerweise spürte er nur bei seinen Opfern derart starke Emotionen. Alex hatte seinen jüngeren Bruder verloren und suchte jemanden, dem er die Schuld an Samuels Tod geben konnte. Die Trauer und Qual in Alex’ Augen hatten auf Darrin eine ähnliche Wirkung gehabt wie eine Extradosis Amphetamin und in ihm die Lust auf mehr geweckt.
Später im Gefängnis hatte er sich die Worte zurechtgelegt, mit denen er den Marshal während ihrer monatlichen Gespräche quälen konnte. Worte, mit denen er die ungezügelte Wut auslösen konnte, die ihm den Rausch verschaffte, den er nun nicht mehr von seinen Opfern bekam. Alex’ Besuche im Gefängnis waren die einzigen interessanten Momente in Darrins Leben. Alle anderen Tage verliefen grau und trist. Die Angst, die Qual und Wut eines anderen Menschen zu spüren, war besser als Sex. Zu behaupten, dass er sich auf die Gespräche mit Alex freute, war eine Untertreibung. Aber diese Besuche hatten ihren Preis. Darrin musste Informationen über frühere Morde herausrücken, um Alex zum Wiederkommen zu bewegen. So verlangte es das ungeschriebene Gesetz, das dafür sorgte, dass die Besuche weitergingen. Er musste Fakten offenbaren, die die Detectives nicht selbst herausfinden konnten. Alex gab die Informationen dann an diverse Dienststellen weiter, denen daran gelegen war, ihre Fälle zu lösen. Darrin weigerte sich, mit irgendjemand anderem zu reden. Auch mit der Journalistin, der er früher so viele Briefe geschrieben hatte, wollte er nun nichts mehr zu tun haben.
Während Darrin Alex durch das Fernglas beobachtete, spürte er, wie ein prickelndes Machtgefühl seine Venen flutete.
Alex’ private Nachforschungen hatten Darrin ins Gefängnis gebracht. Ein winziges Detail hatte dafür ausgereicht – und Alex hatte es entdeckt.
Aber nur durch eine ungünstige Fügung. Dass man Darrin geschnappt hatte, war reiner Zufall gewesen. Die Detectives dreier Staaten hatten sich zuvor ratlos die Köpfe gekratzt.
Aber jetzt hatte Darrin die Chance, Kinton zu beweisen, dass seine Ergreifung reine Glückssache gewesen war. Alex hielt sich sicher für unglaublich clever, weil es ihm gelungen war, Darrin bis in diesen Wald zu verfolgen. Doch im Grund zeigte das nur, dass er die Hosen gestrichen voll hatte. Er fürchtete, Darrin könnte noch am Leben sein und ihn weiterhin quälen.
Sie hatten nun beide dieselben Voraussetzungen, waren nicht durch Gitterstäbe getrennt. Darrin ließ seine schmerzende Schulter vorsichtig kreisen. Seit er das Aspirin aus der Tasche des Piloten eingenommen hatte, ging es ihm besser. Sein Kopf tat zwar immer noch weh, aber solang er die Stelle über dem Ohr nicht berührte, war es nicht zu schlimm.
Er stellte das Fernglas auf die Pistole in Alex’ Hand scharf und spürte das Gewicht der Waffe, die er selbst an der Seite trug. Auch in dieser
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