Vereist (German Edition)
Hinsicht herrschte nun Gleichstand. Aber worin sollte der Reiz liegen, aus der Entfernung zu töten? Darrin genoss es, seinen Opfern ganz nahe zu sein. Ihnen in die Augen zu sehen und zu beobachten, wie ihnen bewusst wurde, was er tat.
Alex Kinton hatte mehr verdient als einen anonymen Schuss in den Rücken.
Darrin konnte Alex’ Tod in Zeitlupe vor sich sehen. Sein Sterben würde lang und qualvoll sein. Er würde genau wissen, wer ihm Schmerzen zufügte und weshalb. Und dann würde er einsehen, dass Darrin der Klügere und Durchtriebenere von ihnen beiden war.
Die Vorfreude ließ ein Lächeln über Darrins Gesicht huschen.
Das konnte der befriedigendste Mord seines Lebens werden.Den Blick gebannt auf das Flugzeugwrack gerichtet, schob Alex sich näher. Brynn folgte dicht hinter ihm. Der Rumpf der Maschine lag wie ein kopfloser Kadaver im Schnee auf der Lichtung. Das Cockpit interessierte ihn nicht. Die Person, die er sehen wollte, hatte mit Sicherheit im Passagierbereich gesessen. Vorsichtig ging er weiter. Mit einer Handbewegung sagte er Brynn, sie solle hinter ihm bleiben.
»Brynn!«
Beide schreckten bei Jims heiserem Schrei zusammen. Jim winkte Brynn vom Cockpit aus zu. Sie sollte zu ihm kommen.
Gut. Hol sie hier weg.
Dort unten drohte ihr sicher keine Gefahr. Sonst würde Jim sie nicht zu sich rufen.
Alex’ Respekt für Jim Wolf war in den letzten zwei Tagen von Stunde zu Stunde gewachsen. Jim war stets auf die Sicherheit seines Teams bedacht und konnte sehr gut mit Menschen umgehen. Er schaffte es, aus jeder Person das Beste herauszuholen. Alex behandelte er mit Umsicht und gab ihm die Tipps, wie er sich das Vorwärtskommen leichter machen konnte, immer unter vier Augen.
Brynn warf Alex einen fragenden Blick zu, und er nickte in Jims Richtung. In geduckter Haltung, so als fühlte sie sich vom Wald aus beobachtet, hastete sie davon. Alex runzelte die Stirn. Als er Besands Namen genannt hatte, hatte sie erst schockiert, dann verängstigt reagiert. Ein toughes Mädchen wie Brynn ließ sich nicht so leicht beeindrucken. Bären brachten sie nicht aus der Ruhe. Schneestürme ebenfalls nicht. Deshalb war Alex überrascht, dass ihr der Name Darrin Besand so wie den meisten Frauen Angst machte.
Ein weiterer guter Grund, Besand zu hassen.
Alex sah, wie Jim Brynn ins Cockpit winkte und fragte sich, was sie dort unten wohl gefunden hatten. Sicher hatte keiner den Absturz überlebt. Aber Brynn war Krankenschwester. Weshalb sollte Jim sie rufen, wenn sie keine medizinische Hilfe leisten konnte?
Alex konzentrierte sich wieder auf den Rumpf des Flugzeugs und stapfte entschlossen weiter. Es war Zeit, die Mission zu Endezu bringen. Er folgte seiner Waffe um die Ecke, sah in das Flugzeug und stellte sofort fest, dass es leer war. Bis auf die Leiche in der zweiten Sitzreihe. Alex steckte die Waffe weg und stieg zu Linus Carlson ins Wrack.
»Verdammt, Linus.« Alex ging neben ihm im Mittelgang in die Hocke. Obwohl Linus so weit vornübergebeugt im Sitz hing, dass sein Kopf fast in seinem Schoß lag, hatte Alex ihn sofort erkannt. Die kahle Stelle am Hinterkopf und die albernen klobigen Schuhe ließen keinen Zweifel daran, wen er vor sich hatte. Alex schluckte, riss sich den anderen Handschuh auch noch herunter und legte die Fingerspitzen an Linus’ kalten Hals. Nichts. Vorsichtig drückte er ihn in eine aufrechtere Sitzhaltung. Die Leichenstarre hatte bereits nachgelassen. Linus war schon länger tot. Hoffentlich war er sofort beim Aufprall gestorben. Alex blinzelte ein paarmal heftig. Dann sah er sich den Toten genauer an.
Das letzte Weihnachtsfest als verheiratetes Paar hatten er und Monica mit Linus, seiner Frau und deren beiden Kindern verbracht.
Ach verdammt. Diese süßen Kinder.
Alex ärgerte sich, dass er sich nicht an ihre Namen erinnerte. Ein Junge und ein Mädchen. Sie mussten jetzt etwa zehn und zwölf Jahre alt sein. Alex schwor sich, dass er derjenige sein würde, der Linus’ Frau die Todesnachricht überbrachte.
Galle stieg ihm in die Kehle. Um sich abzulenken, ließ Alex den Blick durch die Kabine schweifen. Er blieb an dem Sakko auf dem Boden hängen. Alex starrte erst die braune Jacke an, dann das blaue Anzughemd, das Linus trug.
Linus’ Holster fehlte.
Alex schnappte sich die Jacke. Sie war viel zu leicht. Sofort ließ er sie wieder fallen, riss die Waffe aus der Tasche und fuhr zum vorderen Teil des Flugzeugs herum. Nichts als Schnee und Stille. Eine Minute lang hatte er den Killer
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