Vereist (German Edition)
verbracht.
Paul hatte ewig wach gelegen und darauf gewartet, dass sie ihn anrief oder an seine Tür klopfte. Aber vergeblich. Dabei hatte er nach den vernichtenden Blicken, die er ihr bei der Pressekonferenz wegen ihrer Fragen zu Darrin Besand zugeworfen hatte, eigentlich nichts anderes erwarten können. Er hatte die Frau mit tödlichen Blicken geradezu durchbohrt. Wie hatte er da glauben können, sie käme noch einmal in sein Bett?
Wie naiv konnte man sein?
Die beiden Deputy Marshals, die mit ihm zusammen an diesem Vorposten der Arktis ausharrten, kannte er kaum. Sie waren neu in Oregon und gehörten nicht zu den Mitarbeitern, die er als seinen engen Kreis betrachtete. Er wies sie an, mit niemandem zu sprechen – schon gar nicht mit den Medien. Dann überließ er sie sich selbst. Die meiste Zeit verbrachten sie in einem der Dienstwagen. Sie versuchten, ihren DVD-Player zu verstecken, aber er hatte ihn natürlich gesehen und wusste, dass sie sich
Stirb langsam
anschauten.
Er warf einen Blick zu dem schwarzen Suburban. Einer der Männer warf lachend den Kopf in den Nacken. Paul wollte ihnaus purer Langeweile und Anspannung erdrosseln. Aber für die Männer gab es hier nichts zu tun. Warum sollten sie sich also nicht einen Film ansehen?
Paul stapfte um die Fahrzeuge herum. In den letzen Stunden hatte er einen Pfad getreten und trampelte nun weiter den Neuschnee fest, der vom Himmel rieselte. Hin und wieder fegte er den Schnee von seinem eigenen Suburban. Und von ein paar anderen Fahrzeugen. Er hatte zu viel Energie in sich aufgestaut und war nervös. Wenn er zehn Jahre jünger gewesen wäre und auch nur den Hauch einer Ahnung davon gehabt hätte, wie man in der winterlichen Wildnis zurechtkam, hätte er sich selbst auf die Suche nach Kinton gemacht. Kinton und Besand durften sich dort draußen auf keinen Fall begegnen. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
Besand musste einfach tot sein.
»Whittenhall!«
Paul drehte sich nach der Stimme des Sheriffs um.
Sheriff Collins sah müde aus. Die Haut um seine Augen spannte, so als wäre sie erschöpft, weil sie seine Lider aufhalten musste. Den Mund hatte er so fest zusammengekniffen, dass man fast keine Lippen mehr sah.
»Sheriff?«
Collins sah über Pauls Schulter hinweg zu den beiden Agenten in dem SUV. »Schauen die sich was Nettes an?«
Paul zuckte die Schultern. »
Stirb langsam
.«
Collins atmete aus. »Gegen ein bisschen John McClane hätte ich jetzt auch nichts einzuwenden. Eine Ablenkung von dieser Scheiße hier könnte nichts schaden.«
Paul nickte. Der Sheriff wollte Smalltalk machen? Das glaubte er keine Sekunde lang.
»Ich habe gerade etwas über den Hubschrauber gehört, der gestern über uns weggeflogen ist. Sie erinnern sich?«
Paul hielt die Luft an und nickte.
»Da saßen zwei Jungs aus der Gegend drin. Beide Piloten. Einer ist Flieger bei der Rettungsstaffel der Air Force ein paar Meilennördlich von hier. Aber am Steuer saß sein Bruder. Die beiden haben nach dem abgestürzten Flugzeug gesucht.«
Paul wurde es trotz der eisigen Luft siedend heiß. »Air Force? Und Sie haben das gewusst?«
»Ich kenne Liam und seinen Bruder Tyrone. Manchmal unterstützen sie uns bei unseren Einsätzen. Aber ich wusste nicht, dass sie in dem Vogel gestern saßen.« Collins’ Blick glitt nach links weg. Daran erkannte Paul, dass er log. Der Sheriff hatte genau gewusst, wer da geflogen war und weshalb. »Die beiden hatten keinen Einsatzbefehl. Sie sind auf eigene Faust gestartet und wollten uns helfen.«
»Und? Haben sie was gefunden?«
Paul hielt das für möglich, aber Collins’ Gesicht wurde nur noch grimmiger. »Auf dem Flugplatz hat man nichts mehr von ihnen gehört. Eigentlich sollten sie gestern Abend zurück sein, aber sie sind nicht zu erreichen.«
Paul riss die Augen auf. »Das heißt, Sie haben dort draußen jetzt zwei abgestürzte Maschinen?«
Collins starrte zurück. »Gut möglich.«
»Und? Geht heute noch mal jemand in die Luft?« Pauls Ton klang herausfordernd.
Collins schüttelte den Kopf. »Nicht bei diesem Wetter. Ich weiß nicht, was die zwei sich gedacht haben, als sie gestern losgeflogen sind.« Wieder wanderte sein Blick nach links, und Paul fragte sich, was der Sheriff ihm verschwieg.
»Ist die Presse informiert?«
»Nein.« Collins sah aus wie ein geprügelter Hund.
»Werden Sie den Hubschrauber bei der nächsten Pressekonferenz erwähnen?«
Collins verzog das Gesicht. »Keine Ahnung. Erst mal muss ich mit den Angehörigen
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