Verfehlung: Thriller (German Edition)
Augen, doch jetzt wusste er, dass es seine braunen Augen waren.
5
13:00 Uhr
Vor ungefähr einer Stunde hatte Ellie mitbekommen, wie einer der Männer telefonierte. Im Verlauf des Gesprächs war er immer ungehaltener geworden, und nachdem es beendet war, hatte es sich angehört, als hätte er das Telefon auf den Fußboden geworfen. Danach war er vor die Hütte gegangen, und Ellie hatte ihn einsam in der Gegend herumbrüllen hören. Schließlich waren ihm zaghaftere Schritte – möglicherweise die der Frau – nach draußen gefolgt.
Sergei blieb auf dem Sofa sitzen, während Katrina hinausging, um Vasiliy nach Drakes Anruf zu beruhigen. Er hatte keine Ahnung, warum Drake die Hure überhaupt mitgebracht hatte, aber sie konnte mit Vasiliy umgehen, und wenn sie ihn zur Räson brachte, hatte sich ihre Anwesenheit vielleicht schon bezahlt gemacht.
Finch hatte das Treffen mit Drake heute Vormittag ruiniert, aber Drake wollte ihn noch nicht kaltmachen, sondern ihm eine letzte Chance geben, seinen Teil des Deals zu erfüllen – sobald Drake einen Entschluss gefasst hatte, auf welche Weise er ihm diesmal seine Nachricht zukommen lassen wollte. Sergei fand, dass Drake in seinem Bemühen, Gabriel bei Laune zu halten, zu weichherzig wurde. Wenn es nach ihm ginge – es wäre ihm ein persönliches Vergnügen, das Mädchen auf der Stelle beiseitezuschaffen – und danach auch Finch.
Sergei gefiel es nicht, für Gabriel den Laufburschen zu
spielen, wohingegen Drake das nichts auszumachen schien. Es war ein Scheißjob – egal, wie viel Geld im Spiel war. Es war nicht mehr wie in alten Zeiten, als sie alle zusammen auf der Straße aufgewachsen waren und sich auf ihre Weise durchzuschlagen gewusst hatten – damals waren sie es gewesen, die das Sagen hatten. Sergei hatte sich von Drake mit dem Argument breitschlagen lassen, dass sie mit dieser Methode sehr viel mehr Geld einsacken würden, aber er kochte jedes Mal vor Wut, wenn er vor diesem englischen Laffen Gabriel kuschen musste.
Schön, es war allerhand Kohle für sie drin, ja, aber ihn dürstete es nach Macht, genauer gesagt nach der Macht, Angst und Furcht einflößen zu können, der Macht über Leben und Tod, die ihnen in ihrer Heimat Russland niemand hatte streitig machen können. Kein noch so großer Haufen Geld oder Drogen würde je diesen Kick ersetzen.
Trotz allem wusste er, dass er geduldig darauf warten musste, bis seine Zeit gekommen war, sich Drake vom Hals zu schaffen. Vielleicht würde er dann nicht mehr die Drecksarbeit erledigen müssen und könnte seinen Platz ganz oben neben Gabriel einnehmen. Dann besäße er die wahre Macht, eine Macht, wie sie Gabriel in Paris über diesen Amerikaner hatte. Aber bis dahin musste er wohl oder übel gute Miene zum bösen Spiel machen.
Katrina kam ohne Vasiliy zurück, der sich in der Kälte noch immer beruhigte.
»Mit ihm geht alles klar«, sagte sie.
Sergei sah Katrina an. Er wusste, wie unangenehm es ihr war, mit ihm alleine zu sein.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er zu ihr. »Du bist nicht mein Typ.«
Dann wandte er sich ab und ging zum Zimmer des Mädchens.
Hinter ihm rieb Katrina sich die Arme, als würde sie frösteln.
Ellie hörte schwere Schritte auf ihr Zimmer zukommen und drückte sich dicht an die Wand. Sie wusste, dass sie sich hier nirgendwo verbergen konnte, wollte es aber wenigstens versuchen.
Es war der kleinere der Männer, der den Raum betrat. Er kniete sich vor sie hin und starrte sie im Halbdunkel an.
»Was machst du da, Mädchen? Willst du dich vor mir verstecken?«
Ellie blieb regungslos sitzen und behielt ihn genau im Auge.
»So? Du willst jetzt nicht reden? Vielleicht erzähle ich dir einfach, wie es steht, und dann wirst du weinen, oder?«
Er fing an zu lachen, aber es blieb ihm im Hals stecken, und er musste kurz husten.
»Du musst wissen, heute ist es für ihn und dich nicht so gut gelaufen. Und wenn wir nicht kriegen, was wir wollen, wird es nur schlimmer. Er bekommt noch eine letzte Warnung.«
Ellie hatte keine Ahnung, von wem oder was die Rede war.
Noch immer in kauernder Haltung schlurfte der Mann einen Schritt vor, setzte sich auf die Bettkante und schob dann seine Hand unter die Decke, bis er ihren Fuß berührte. Unwillkürlich entrang sich ihr ein ängstliches Geräusch, und sie zog die Knie bis an die Brust. Er lachte wieder, musste noch einmal husten, und Ellie spürte seine Spucke auf ihren Armen. Jetzt merkte sie auch, wie scheußlich er roch. Ihr wurde
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