Verfehlung: Thriller (German Edition)
umbringen würden? Welchen Sinn sollte das haben?«
»Leck mich doch!«, brüllte Logan. Tränen traten ihm in die Augen. Vor lauter Aufregung war er heiser geworden. »Du hast denen von ihr erzählt, und sie haben sie umgebracht!«
Er machte einen Schritt vor und holte mit der Faust aus. Im letzten Augenblick vollführte er eine Drehung des Körpers und rammte seine Hand stattdessen mit einem wütenden Aufschrei auf die Schreibtischplatte. Ein rasender Schmerz durchfuhr seinen Arm bis in seinen Kopf.
»Du willst mich schlagen?«, schrie Crawford. »Nur zu! Aber wenn du nicht so verdammt besessen von ihr gewesen wärst, wäre das nie passiert. Warum konntest du nicht von ihr lassen? Warum nicht? Zwölf verfluchte Jahre, Mann.«
Logan kniff die Augen zusammen. Er wollte nichts mehr sehen und hören. Doch er konnte ein Bild nicht ausblenden – Ellie, wie sie ihn auf dem Bild ansah, das ihm die zwei Neandertaler vor die Füße geworfen hatten.
»Was ist mit Ellie?«, fragte er im Flüsterton.
»Ich weiß nicht, wer das sein soll. Ich hab’s dir doch schon gesagt. Himmel, Logan, es ...«
Er wusste gar nicht, dass er sich derart schnell bewegen konnte – so plötzlich hatte er sich auf Crawford gestürzt und ihm mit der Faust einen Schlag gegen den Kopf versetzt. Seine Knie knickten ein, aber Logan packte ihn bei den Schultern und riss ihn wieder hoch.
»Logan!«
Als er sich umdrehte, stand Rachel mit zwei großen Kaffeebechern in der Tür. Sie hatten einander so laut angebrüllt, dass sie sie gar nicht die Treppe hatten heraufkommen hören. Es war nicht leicht, den Ausdruck in ihren Augen zu deuten.
Er ließ die Fäuste sinken und damit auch von Crawford ab. »Was hast du darüber gewusst?«, wollte er wissen.
»Alles«, sagte sie und konnte ihn nicht ansehen.
Er schnaubte wütend und wischte sich das verschwitzte Gesicht mit dem Jackenärmel ab. »Alles?«, wiederholte er.
Rachel nickte.
»Auch von Ellie? Und du als Mutter konntest dich einfach zurücklehnen und das alles zulassen? Was bist du nur für ein Mensch, Rachel?«
Diesmal sah Rachel zuerst ihn an – und dann ihren Mann.
»Ich weiß auch nicht, von wem er redet«, sagte Crawford.
Logans Blick wanderte von ihm zu dessen Frau, und schließlich dämmerte es ihm: Penny hatte Bob von ihrer Rückkehr erzählt, dabei aber ihre Tochter unerwähnt gelassen – wahrscheinlich wollte sie das Geheimnis für sich behalten, bis sie mit ihm, dem Vater ihres Kindes, gesprochen hatte. Die Verbrecher, in deren Gewalt sich Ellie befand, hatten vermutlich ebenso nichts von ihrer Existenz gewusst, bis sie in Pennys Haus eingedrungen waren.
Logan spürte eine vollkommene Leere. Er fühlte sich ausgelaugt, ihm war kotzübel, und er wollte, dass es Bob und Rachel nicht besser erging. Er wollte sie mit der Nase darauf stoßen, was sie angerichtet hatten. Er machte einen Schritt auf die Tür des Arbeitszimmers zu, und Rachel trat rasch zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Dann blieb er mit einer Hand an der Tür stehen und warf Crawford einen hasserfüllten Blick zu.
»Penny hatte eine Tochter, Bob. Meine Tochter. Ihr Name ist Ellie, sie ist elf Jahre alt, und diese Wichser haben sie entführt. Soweit ich weiß, haben sie Penny gefoltert und getötet und dabei wohl auch noch ihren Spaß gehabt. Es kann sogar sein ...«
Den letzten, furchtbaren Gedanken konnte er nicht mehr aussprechen, denn sein Körper begann zu beben und zu zittern. »Warum hast du dich nicht einfach an die Polizei gewandt, Bob? Warum nicht?«
Rachel schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und ließ die Becher fallen. Kaffee ergoss sich über den Boden. Crawford sah aus, als hätte jemand einen Schalter in seinem Gehirn umgelegt und sämtliche Lichter gelöscht. In diesem Zustand ließ Logan die beiden stehen, ging ins Erdgeschoss und zu seinem Wagen.
11
21:00 Uhr
Logan war keiner Gefühle mehr fähig, und wenn es nach ihm ging, sollte es auch so bleiben. Er entschied sich für das traditionelle schottische Heilmittel – sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken. Die Lösung war nicht gerade erwachsen, würde aber wenigstens den Schmerz betäuben.
Wie üblich stellte er den Wagen auf dem Firmenparkplatz ab. Das Parken war für ihn umsonst, und zu seinem Apartment waren es nur wenige Minuten zu Fuß. Einen Moment lang blieb er auf dem Blythswood Square stehen und überlegte, wo man sich am besten besaufen konnte. Er entschied sich für das Vroni, die enge Weinbar den Hügel
Weitere Kostenlose Bücher