Verfehlung: Thriller (German Edition)
schneiden lassen. Sie hatte zu weinen begonnen, als sie das Resultat der Bemühungen des Friseurs im Spiegel erblickte, und nicht zu jammern aufgehört, bis sie eine Stunde später wieder zu Hause gewesen waren. Nun aber war sie froh über ihre neue Frisur, denn langes Haar wäre jetzt bloß hinderlich. Außerdem wäre es von all dem Blut, das sie verloren hatte, wahrscheinlich auch ganz klebrig und starr. Mit ihrem neuen Haarschnitt wirkte sie erwachsener – das hatte ihre Mom ihr jedenfalls versichert, und ihrer Mom glaubte sie aufs Wort.
»So was passiert«, sagte Sergei zu Drake. »So was passiert, wenn man für jemand anderen arbeitet. Siehst du jetzt endlich ein, warum ich gesagt habe, dass es von Anfang an ein Fehler gewesen ist?«
Drake stand am Fenster und schaute hinaus. Vor ihm spiegelte sich das Mondlicht auf der dunklen Oberfläche des Sees. Hinter ihm fuhr Sergei mit seiner Tirade fort.
»Sieh dir doch mal an, was jetzt daraus geworden ist! Vas ist tot, und zwar nur, weil dieser Scheißkerl von Gabriel unser Geld hier in diesem Scheißloch von einem Land waschen will. Weißt du noch, was er gesagt hat? Dass es so viel leichter wäre, weil Schottland so klein ist und die schmierigen Anwälte ja sooo wild auf unser Geld wären, dass sie sich überschlagen würden, um uns zu helfen.«
Drake wandte sich zu Sergei um und hielt ihm den Zeigefinger an die Lippen, damit er endlich den Mund hielt. »Wir müssen Gabriel sagen, was passiert ist.«
»Toller Einfall. Einfach super. Warum schlitzen wir uns nicht gleich gegenseitig die Kehlen auf, dann haben wir’s hinter uns.«
»Halt’s Maul, Sergei, und hör verdammt nochmal auf, hier herumzuheulen wie ein Klageweib.«
Drake zog sein Handy aus der Gesäßtasche seiner Hose und wählte Gabriels Nummer. Während er ins Telefon hineinhorchte, gab er Katrina mit dem Kopf ein Zeichen hinauszugehen. Sie stand vom Sofa auf und verzog sich in ihr Zimmer.
Gabriels Stimme klang überraschend wach, als er sich meldete.
»Schlafen Sie gar nicht um diese Nachtzeit?«, fragte Drake.
»Ich bin nicht in der Stimmung dazu, Mr. Drake. Und? Läuft alles wieder so, wie wir es geplant haben?«
»Nein. Die Sache hat heute Abend sogar noch eine Wendung zum Negativen genommen.«
»Inwiefern?«
»Vas ist tot.«
Gabriel sagte nichts. Drake wusste, dass es für gewöhnlich von Unheil kündete, wenn er schwieg.
»Ich weiß nicht genau, was passiert ist«, fuhr Drake fort. »Er wollte Finch, diesen Anwalt, aufsuchen, um sicherzustellen, dass er auch spurt. Und jetzt ist er tot. Mehr Informationen habe ich nicht.«
»Dann läuft der Deal Gefahr, kurz vor dem Ziel zu platzen, Mr. Drake. Sie haben mir versichert, dass alles durchgezogen wird und Sie dafür sorgen würden, dass Finch kein
Problem mehr darstellt. Nun ist Vas tot, und es sieht immer mehr danach aus, dass ich das Waschen meines Geldes vergessen kann.«
»Ich weiß, dass die Situation nicht gerade ideal ist ...«, setzte Drake an.
Gabriel schnitt ihm mit einem verächtlichen Lachen das Wort ab. »Sie ist sogar beschissen weit davon entfernt, ideal zu sein, Mr. Drake.«
Es war das erste Mal, dass Drake Gabriel fluchen hörte, und er wertete das als kein gutes Zeichen. Normalerweise ließ sich der Mann durch nichts aus der Ruhe bringen. Drake schwieg und wartete, ob Gabriel noch etwas sagen würde.
»Hören Sie gut zu«, fuhr der schließlich fort. »So gern ich das Mädchen auch tot sehen und den Schlamassel hinter mir lassen würde – ich muss diese fünfundzwanzig Millionen sauber bekommen. Sie werden mir das Geld besorgen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja«, sagte Drake. Es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Gabriel zu diskutieren.
»Was werden Sie also unternehmen?«
Drake sah Sergei an. Am liebsten würde er mich jetzt abknallen, dachte er. Wahrscheinlich überlegt er gerade, wie Gabriel wohl reagieren würde, wenn er es jetzt während des Telefongesprächs tat. Gabriel hat kein Gewissen, aber Ordnung ist ihm wichtig, und er hält an der Hierarchie der Organisation fest. Sergei ist sich dessen bewusst, sonst hätte er schon längst gehandelt.
Sergei setzte sich auf das Sofa und behielt Drake fest im Auge.
Alberne kleine Machtspiele, dachte Drake. Er wandte sich wieder dem Fenster zu und überlegte, wie es wohl aussehen
würde, wenn Sergei bewegungslos im tiefen Wasser versank, wo die Fische sich über sein Fleisch hermachen würden, bis nur noch das Knochengerüst von ihm übrig
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