Verfemte des Alls
entsprachen. Die Frau war von solcher Vollkommenheit, wie ich sie in Wirklichkeit nie für möglich gehalten hätte. Ihre langen Haare umhüllten sie bis fast zu den Knien, Haare von einem so tiefen, dunklen Rot, daß sie fast schwarz wirkten. Ihre Krone war nicht so massiv wie jene ihrer Gefährten, sondern eher ein Reif, von dem eine Reihe Drahtfäden ausgingen. Als ich deutlicher hinsah, entdeckte ich, daß auf der Spitze eines jeden dieser Drähte ein kleiner Kopf saß, der jener Katzenmaske auf dem Felsen glich. Und jeder dieser Köpfe hatte Augen aus Edelsteinen.
Plötzlich hielt ich den Atem an. Während ich die Frau ansah, begannen sich die Katzenköpfe ihrer Krone zu bewegen, zu drehen und zu erheben, bis sie alle starr aufrechtstanden und mich mit ihren Edelsteinaugen abschätzend anzusehen schienen. Aber ihre eigenen Augen starrten an mir vorbei, als wäre ich weit von ihrer inneren Welt entfernt.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und drehte mich so, daß ich den sitzenden Fremden mit der Tierkrone vor mir hatte. Und hinter mir sagte Griss’ Stimme:
»Höre! Eine große Ehre wird deinem armseligen Körper zuteil! Er wird getragen werden von …« Falls er ursprünglich einen Namen aussprechen wollte – er nannte ihn nicht. Ich glaube, es war Vorsicht, die ihn schweigen ließ. Es gibt einen Aberglauben, vor allem unter den primitiven Völkern, daß man sich ausliefert, wenn man einem Fremden seinen wahren Namen nennt. Daß ein solcher Aberglaube diese Fremden von so hohem Niveau beherrschen sollte, konnte ich allerdings nicht so recht glauben.
Es bestand aber kein Zweifel daran, daß ich jetzt zu einem ebensolchen Austausch gezwungen werden sollte wie Griss, und ich hatte Angst wie nie zuvor in meinem ganzen Leben.
Der Fremde packte meinen Kopf von hinten und hielt ihn in festem Griff, so daß ich jenem hinter der Wand in die Augen blicken mußte. Ich hatte keine Möglichkeit, mich zu befreien, nicht körperlich, aber ich konnte dennoch kämpfen, und kämpfen würde ich! Ich wappnete mich mit aller Esper-Kraft, die ich besaß, mit meinem ganzen Sein und Bewußtsein dessen, wer und was ich war. Und gerade rechtzeitig genug, um dem Angriff zu begegnen.
Er kam nicht als harter Schlag wie jener Angriff, der mich auf dem Landefeld der LYDIS niedergestreckt hatte. Es war eher ein gezielter Stoß, mit arrogantem Selbstbewußtsein ausgeführt, und es gelang mir, ihn abzuwehren, ohne meine gesamte Kraft einzusetzen.
Obgleich ich keine Überraschung auffing, ließ der Druck ganz plötzlich nach – als ob jener von der Tierkrone sich zurückzog, ein wenig verwirrt von Widerstand, wo er keinen zu finden erwartet hatte. Zurückzog, um vielleicht zu überlegen, was ihm da gegenüberstand. Unterdessen nutzte ich die kurze Ruhepause, um mich auf den weit stärkeren nächsten Angriff vorzubereiten.
Und er kam. Ich war mir nicht mehr bewußt, was außerhalb meiner selbst vorging; da war nur noch der innere Tumult, wo der Kern meiner Persönlichkeit von einer Willenswelle nach der anderen angegriffen wurde in dem Versuch, meine letzten Verteidigungsschranken niederzureißen und mein innerstes Ich gefangenzunehmen. Aber – ich hielt stand und spürte das Erstaunen des Gekrönten darüber. Schock auf Schock schlug gegen meinen Willen, und immer noch ließ ich mich nicht überwältigen und davontragen. Dann fühlte ich die wachsende Wut des anderen, seine Unsicherheit, und ich war sicher, daß der Druck jener Wellen nachließ. Allmählich verebbten sie, als zögen sie sich zurück von einem Felsen, der allen Schlägen der See zum Trotz immer noch stand.
Das Bewußtsein meiner Umgebung kehrte wieder. Mein Kopf wurde noch immer in eisernem Griff gehalten; ich stand immer noch Auge in Auge mit jenem hinter der Wand. Das Gesicht des Gekrönten war so ausdruckslos wie zuvor, und doch erschienen mir die Züge verzerrt vor Wut, geboren aus der Enttäuschung und Niederlage.
»Es geht nicht mit ihm!« Es war wie ein Schrei in meinem Kopf, und die Wildheit dieses Ausrufs schmerzte wie ein Schlag. »Bring ihn fort! Er ist eine Gefahr!«
Der Fremde packte mich an der Schulter und drehte mich grob um. Vor mir sah ich Griss’ Gesicht, aber der Ausdruck war nicht seiner – eine häßliche, drohende Fratze, wie ich sie an dem echten Griss nie gekannt hatte. Ich dachte, er würde mich auf der Stelle vernichten. Offenbar hatte er jedoch anderes mit mir vor, da er nicht zu der Waffe an seinem Gürtel griff. Er stieß mich
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