Verflixter Kerl
Computer saß und Geld verdienen musste. Aber als endlich die richtig brutalen Szenen kamen, bin ich leider eingepennt."
"Und was wollt ihr essen, ihr zwei?"
"Scholle", hatte Sarah mit einem knappen Blick in die Speisekarte entschieden. "Aber nur, wenn sie nicht aus der Tiefkühltruhe kommt und nicht paniert ist. Mein Vater bestimmt auch, wie ich ihn kenne."
Matthias nickte. "Großartige Idee."
"Unsere Schollen sind tagesfrisch", versicherte die Wirtin und deutete auf einen Tisch, der unschwer als Stammtisch zu erkennen war. "Diese Herrschaften da drüben versorgen mich mit bester Ware und essen natürlich auch selbst davon."
"Mensch, da ist der Jens!", rief Sarah aus und deutete auf einen bärtigen Kerl im Fischerhemd. "Der Krabbenfischer, der mir alles erklärt hat!"
Matthias nickte der Wirtin zu. "Also zweimal Scholle mit Kartoffelsalat. Und wir dürfen also andere Musik wählen?"
Die Wirtin grinste und nickte zugleich. "Sehr gern. Meine Stammgäste werden sich freuen. Die sind leider nicht schnell genug, weil sie schon Einige Biere und ein paar Gläschen Köhm intus haben."
"Ich mach das schon“, versicherte Sarah eifrig. "Was kostet ein Lied?"
"Zwanzig Cent, aber für einen ganzen Euro bekommt man schon sieben Titel."
"Oder sieben gleiche", stellte Sarah fest.
"Leider", erwiderte die Wirtin.
Matthias gab seiner Tochter eine Euro-Münze. Sarah rannte zur Musikbox, warf das Geld ein, drückte eine der Buchstabentasten und zwei Zifferntasten und kam gleich darauf schon wieder an den Tisch.
"So schnell?", wunderte sich Matthias.
Seine Tochter nickte und präsentierte ihm die "Grinse-Parade" ihrer Milchzähne. Die beiden einzigen "neuen Zähne" waren die Schneidezähne, die ihr etwas Hasenhaftes verliehen. "Rat mal, was die hier in der Musikbox haben?"
"Keine Ahnung."
"Opas Lieblingslied. Und sogar die echte Platte."
Matthias ahnte Schlimmes. Das Lieblingslied seines Vaters hieß "Capri-Fischer". Das gab es in verschiedenen Versionen, aber wenn Sarah schon sagte, es sei die "echte" Platte, konnte die Version nur von Rudi Schuricke stammen, einem Star der Zwanziger bis Fünfziger Jahre mit Schmalz-Stimme und Menjou-Bärtchen, einem schmalen schwarzen Strich auf der Oberlippe, wie ihn zuerst der Franzose Adolphe Menjou trug.
"Schuricke?", fragte er seine Tochter.
Sarah nickte. "Eben. Das Original. Sagte ich ja."
Die Wirtin entfernte sich grinsend, und Sarah lief hinterher, um an den Stammtisch der Fischer zu gehen. Sie begrüßte "ihren" bärtigen Jens und tuschelte mit ihm. Der Mann sagte daraufhin etwas zu seinen Kollegen, und alle lachten. Sarah bekam von allen am Tisch eine Münze zugesteckt und rannte erneut zur Musikbox. Matthias ahnte Fürchterliches.
Als das erste Mal die Lautsprecher verkündeten "Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt...", stand am Tisch in der Nische die rundliche Erzgebirglerin mit einem Ruck auf und marschierte ebenfalls zur Box, um Geld einzuwerfen.
Das Barometer stand also auf Sturm. Den ganzen Abend würde es nun den Kampf der zwei Lieder geben. Aber Matthias kannte die Hartnäckigkeit seiner Tochter. Sie würde den Sieg davontragen, ganz ohne Zweifel. Sie würde nicht nur das sächsische Paar vertreiben, sondern sämtlichen Gästen einen unvergesslichen Abend bereiten. "Die Nacht der zerrütteten Nerven" – das wäre sogar ein guter Titel für einen Psycho-Krimi, überlegte der vielseitige Autor Matthias Graf Wermingsen.
Sarah diskutierte etwas mit den Fischern und stellte ihnen Fragen, die Matthias hier nicht hörte. Als die Wirtin das Essen brachte, kehrte Sarah aber prompt zurück.
"Ich hab's herausgefunden", sagte sie, wobei sie sich sofort über das Essen hermachte.
"Was?"
"Wie man eine Flaschenpost einer bestimmten Empfängerin zustellen kann", erklärte sie und entfernte akribisch den grätigen Flossenrand ihrer Scholle, so wie sie es gelernt hatte. "Jens und seine Freunde sagen, dass Urlauber die Angewohnheit haben, immer eine bestimmte Stelle am Strand zu besuchen, weil sie ihren Strandkorb für eine Woche oder länger mieten. Wenn wir herausfinden, ob Silke einen Strandkorb hat oder einen bestimmten Stammplatz, könnte ich dicht an ihr vorbei gehen und die Flaschenpost fallen lassen. Oder ich lege sie heimlich auf ihren Platz, wenn sie nicht da ist. Dem Meer sollte man in diesem Fall nicht vertrauen. Es arbeitet unzuverlässig, hat Jens gesagt."
"Soso." Matthias teilte den Körper seiner Scholle waagerecht und konnte so das Grätengerippe
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