Verflixter Kerl
trotzdem das Gesicht der Kleinen nicht erkennen.
"Sieh doch einfach mal nach!" Das Mädchen hielt die Flasche ins Licht, so dass der eingerollte Zettel darin sichtbar wurde. "Silke Seidenhaar. Strand von Wyk. Insel Föhr. Siehst du?"
"Ich heiße nicht..." Silke unterbrach sich, als ihr plötzlich einfiel, wer sie so genannt hatte. Jetzt wusste sie auch, wer diese Kleine war und wo sie sie schon gesehen hatte. "Ich habe überhaupt kein Interesse an deiner Flaschenpost", erklärte sie abweisend.
"Ooch, das ist aber unfair", maulte das Mädchen. "Eine Flaschenpost kommt so selten, und wer eine bekommt, sollte sie mindestens lesen. Wenn man nicht mag, was darin steht, kann man den Brief ja wieder einrollen und die Flasche zurück ins Meer werfen. Bestimmt landet sie dann bei jemandem, der sich ehrlich drüber freut."
Silke konnte dem treuherzigen Gesicht nicht widerstehen. "Na schön", sagte sie. "Zeig mal her."
Das Mädchen reichte ihr die Flasche. "ich habe auch einen Korkenzieher dabei. Den muss ich aber zurück haben, der gehört in unsere Ferienwohnung."
Belustigt drehte Silke den Korkenzieher ein und versuchte, den Korken herauszuziehen. Es ging sehr schwer, und das Kind erklärte, dass bei einer Flaschenpost der Korken immer vom Wasser aufquillt. Endlich aber war er heraus, und das mit einem roten Wollfaden zusammengehaltene Papier rutschte in ihre Hand. Sie öffnete die Rolle und las.
"Silke, Du hast mich bestimmt mit meiner Tochter gesehen und Dir wer weiß zusammengereimt. Wenn Du glaubst, es geht mir nur darum, eine billige Haushälterin und eine neue Mutter für mein Kind zu finden, dann hast Du Dich getäuscht. So einfach liegen die Dinge nicht. Ich habe mich in Dich verliebt und will Dich wiedersehen, und wenn du mich auch magst, will ich alles daran setzen, Dich glücklich zu machen. Diese wunderbare Nacht am Strand geht mir nicht aus dem Sinn, und ich spüre noch deine Lippen auf meinen. Meine Träume drehen sich nur noch um Dich. Ich weiß nicht, was passiert ist und warum du mir plötzlich aus dem Weg gehst. Was mache ich denn falsch? Wenigstens das möchte ich gern wissen.
Wenn aber Dein plötzlich so abweisendes Verhalten daran liegt, dass Du keine Kinder ausstehen kannst, dann bin ich es, der sich getäuscht hat. Dann werde ich Dir aus dem Wege gehen. Meine Tochter gehört nun mal zu mir. Sie ist alles, was mir geblieben ist. Wer mich lieben will, muss auch sie lieben, sonst hat alles keinen Sinn. Matthias."
"Das ist ja nicht gerade ein ganz üblicher Liebesbrief", sagte Silke.
Das Mädchen starrte sie an. "Hat Papa schon wieder was falsch gemacht? Das darfst du ihm nicht übel nehmen. Er ist manchmal ein Schussel."
Silke lachte. "Nein. Es ist alles richtig." Dann wurde sie ernst. "Wie heißt du?"
"Sarah."
"Schön. Und wie alt bist du?"
"Acht. Aber nächste Woche habe ich Geburtstag, dann bin ich neun", gab sie Auskunft.
"Und du hast keine Mutter?"
Sarah schüttelte den Kopf. "Ich versuche aber, endlich eine zu finden. Könntest du nicht mal mit meinem Papi reden?"
"Aha. Wird nicht ganz so einfach sein. Und die Frau mit den roten Haaren, die mit euch auf das Schiff gekommen ist?"
"Welche...?" Das Mädchen überlegte. "Ach diese Zicke! Die stand bloß vor uns in der Reihe. Die hat uns ausgemeckert, weil mein Vater ihr beim Warten den Rucksack in die Kniekehlen gehauen hat. Aus Versehen natürlich."
"Ach so", erwiderte Silke und lachte plötzlich befreit. "Du sagtest ja schon, dass dein Vater manchmal ein kleiner Schussel ist. Na, dann will ich mir den Herrn einmal näher ansehen. Vielleicht kann ich dir helfen, künftig besser auf ihn aufzupassen." Sie rückte die Sonnenbrille zurecht, damit nicht auffiel, dass ihr eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel perlte. Dann erhob sie sich und reichte Sarah die Hand.
*
Matthias hatte es nicht im Entferntesten für möglich gehalten, dass Sarah mit ihrer Idee Erfolg haben würde. Als er jetzt nach seiner Tochter Ausschau hielt, sah er sie kommen – Hand in Hand mit einer Dame im Bikini. Es war tatsächlich Silke! Selbst auf die über fünfzig Meter Entfernung konnte er feststellen, dass sie eine ganz aufregende Figur hatte.
Mit einem Mal fiel ihm auf, dass es rund um seinen Strandkorb allerhand Abfall gab: Butterbrotpapier, Zigarettenschachteln und Kippen, Kronkorken, Verpackungen von Schokoriegeln und mehr. Peinlich, peinlich! Es sah so aus, als hätte er diese Unordnung verbreiten. In aller Hast bemühte er sich, alles einzusammeln
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