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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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der Professeur. » Ihr müsst fürwahr weise sein, nachdem Ihr den besten Bäcker in Paris gewählt habt.«
    » Den Maler?«
    » Ich meine Lucien«, sagte der Professeur.
    » Ich muss gehen«, sagte der Farbenmann. Ohne sich noch einmal umzusehen, hastete er zur Tür hinaus. Sein Esel stand draußen angebunden, mit einer großen Holzkiste auf dem Rücken. Der Farbenmann band ihn los und führte ihn über den Platz.
    Sie spähten durch das Fenster der Bäckerei, bis der Farbenmann auf den Stufen hügelabwärts zum Pigalle verschwunden war, dann sah der Professeur Lucien an.
    » Das war er also?«
    » Ja.«
    » Was macht er hier?«
    » Juliette hat ihn vor zwei Wochen umgebracht.«
    » Nicht sehr gründlich, wie es scheint.«
    » Ich habe Ihnen viel zu erzählen«, sagte Lucien.
    » Ich dir auch«, sagte der Professeur.
    » Gehen wir über den Platz zu Madame Jacob auf einen Kaffee«, sagte Lucien. » Ich hole Régine, damit sie den Laden hütet.« Er schob seinen Kopf durch den Vorhang. » Régine, könntest du bitte auf den Laden aufpassen? Ich muss mit dem Professeur sprechen.«
    Das Baguette traf Lucien voll an der Stirn, dass es knirschte.

    » Autsch! Was…?«
    » Maman hat recht«, sagte Régine mit Blick auf die Kruste. » Perfekt. Wollte nur sichergehen.«
    Georges Seurat stand vor seinem teilweise fertig gestellten Gemälde Der Zirkus, einen kleinen, runden Pinsel voller Rot in der Hand, und versuchte, sich zu entscheiden, wohin genau er den nächsten roten Punkt setzen sollte. Vier identische Pinsel mit unterschiedlichen Farben ragten zwischen den Fingern seiner linken Hand hervor, als hätte er ein schlaksiges Insekt aus der Luft gefangen und dessen bunte Beine wären vor Todesangst erstarrt. Er malte ein Bild von einer Kunstreiterin, die auf einem Palomino stand, und gab sich alle Mühe, die Dynamik der Szene zu vermitteln, wobei er die Figuren akribisch genau herausbildete, indem er die einzelnen Farbpunkte jeweils direkt neben eine Komplementärfarbe setzte, harmonisch und kontrastierend, sodass die Szene im Auge des Betrachters erst entstand, wenn dieser ein Stück zurücktrat. Es war eine fundierte Theorie, und diese bei seinen wichtigsten Bildern– Die Badenden und Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte – zu nutzen, das hatte ihm einigen Erfolg beschert und ihn zum inoffiziellen Anführer des Neo-Impressionismus gemacht, doch das Problem war die Prozedur. Sie war zu pedantisch. Sie war zu statisch. Es dauerte viel zu lange, ein Bild zu malen. In zehn Jahren hatte er nur sieben große Werke vollendet. Seine letzte Arbeit, Die Modelle, die ein Künstleratelier zeigte, in dem sich Modelle entkleideten, war von den Kritikern verrissen und vom Publikum verpönt worden, weil es eine Darstellung alltäglichen Lebens sei, dem man alles Leben genommen hatte. Die nackten Modelle wirkten kalt und geschlechtslos wie Marmorsäulen. Und derweil malten sich Degas und Toulouse-Lautrec mit ihren Tänzerinnen und Sängerinnen, ihren Clowns und Akrobatinnen voll sprühender Vitalität und fließenden Bewegungen ins öffentliche Bewusstsein. Seurat hatte seine Technik– den Pointillismus– basierend auf einer fundierten Farbtheorie ersonnen und perfektioniert, doch mittlerweile fühlte er sich davon eingeengt. Wie sich herausstellte, war Kunst manchmal das, was man zu sagen hatte, und nicht das, wie man es sagte.
    Mit seinen erst einunddreißig Jahren fühlte sich Seurat verbraucht und hatte genug vom Stillstand, war der Kunst des intellektuellen Theoretisierens müde. Er wollte das Tiefe, das Sinnliche– den Augenblick des Lebens– einfangen, bevor dieser ihm entging. Vielleicht wäre Der Zirkus mit all den Figuren, die aus dem Gleichgewicht waren und jeden Moment übereinanderstürzen konnten, sein Weg zurück ins Leben.
    Als er einen winzigen, roten Punkt im Haar des Clowns platzierte, klopfte es an der Tür. Das Leben unterbrach die Kunst. Er wollte schon ärgerlich werden, doch eigentlich war er dankbar. Vielleicht wurden Materialien angeliefert oder besser noch: Signac oder Bernard schauten herein, um sich die Fortschritte anzusehen, die sein Bild machte. Es war so viel einfacher, Theorien zu diskutieren, als sie anzuwenden.
    Er öffnete die Tür und hätte um ein Haar die Pinsel in seiner linken Hand fallen lassen. Es war eine junge Frau, atemberaubend schön, in einem zimtfarbenen Satinkleid, mit heller Haut und dunklen, beinah schwarzen Haaren, die Augen blau wie Saphire.
    » Pardon,

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