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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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seinem Wagen lehnte und mit düsterer Miene auf einer kalten Zigarre herumkaute. Dreimal hatte er sie schon gefragt, ob sie eine Droschke brauchten. Das war nicht der Fall. Beide lugten unter den breiten Krempen ihrer Hüte hervor und beobachteten heimlich einen kleinen Mann mit Melone, der einen Esel quer über den Platz führte.
    » Das geht Sie nichts an, Monsieur«, sagte der große Mann.
    » Ich glaube, er geht in die Katakomben«, sagte der kleinere. » Das könnte unser Moment sein, Henri.«
    » Sind Sie beide etwa Detektive?«, fragte der Kutscher. » Denn wenn ja, sind Sie auffallend unfähig. Sie sollten mal diesen Engländer lesen, diesen Arthur Conan Doyle, wenn Sie wissen wollen, wie man so was macht. Das neue Buch heißt Das Zeichen der Vier. Sein Sherlock Holmes ist ein heller Kopf. Im Gegensatz zu Ihnen.«
    » Die Katakomben?« Henri zog sein Hosenbein hoch, sodass die Aufschläge über seinen Schuhen schwebten und die schimmernden Messingknöchel zu sehen waren. » Jetzt bin ich endlich groß, da muss ich in die Katakomben. Es wird nicht eben zu meinem Vorteil sein.«
    » Vielleicht könnte der Professeur ein neues Modell bauen, das mit Ironie betrieben wird«, sagte Lucien, neigte den Kopf nach hinten, sodass sich die Hutkrempe hob und sein Grinsen preisgab. Mit Hilfe der Lokomotoren konnten sie den Farbenmann schon seit über einer Woche verfolgen, ohne dass Henris mangelnde Körpergröße oder sein Hinken sie verrieten, nun jedoch schien es, als wären die Dampfstelzen ein deutlicher Nachteil.
    » Uns bleibt noch etwas Zeit.« Lucien stellte die Laterne ab und kauerte zu Henris Füßen. » Wir müssen ihn vorausgehen lassen, wenn wir ihm folgen wollen. Heda, Kutscher, helft mir, seine Hosen auszuziehen!«
    » Messieurs, für ein solches Ersinnen ist das hier sowohl die falsche Gegend als auch die falsche Tageszeit.«
    » Erzähl ihm, dass du ein Graf bist, Henri«, sagte Lucien. » Das hilft meistens.«
    Fünf Minuten später ging Toulouse-Lautrec über den Platz voraus, mit aufgerollten Hosenbeinen und dem langen Mantel auf dem Boden schleifend. Sie hatten dem Kutscher fünf Francs gegeben, damit er auf die Lokomotoren achtete, und zeigten ihm die doppelläufige Schrotflinte im Köcher, geborgt von Henris Onkel, um ihm klarzumachen, was passieren würde, falls er beschließen sollte, sich mit den Dampfstelzen aus dem Staub zu machen. Er hingegen nahm ihnen zwei Francs für eine garantiert– mehr oder weniger– vollständige Karte der Pariser Unterwelt ab.
    Toulouse-Lautrec entfaltete die Karte, bis er zur siebten Ebene unter der Stadt kam, dann sah er Lucien an. » Die Gänge folgen den Straßen.«
    » Ja, aber mit weniger Cafés und mehr Leichen. Und es ist dunkel.«
    » Na, dann tun wir einfach so, als wären wir in London.«
    Die Pariser Stadtverwaltung hatte auf den ersten paar hundert Metern der Katakomben Gaslaternen installiert und außerdem einen Mann am Eingang postiert, der fünfundzwanzig Centimes für das Vergnügen verlangte, die Gebeine der Stadt zu besichtigen.
    » Ihr wisst, dass das morbider Scheiß ist, non?«, sagte der Torwächter.
    » Und Sie sind Türsteher auf einem Friedhof«, sagte Lucien. » Das wissen Sie, oder?«
    » Schon, aber ich geh da ja nie rein.«
    » Geben Sie mir mein Wechselgeld«, sagte der Bäcker.
    » Wenn Sie einem Mann mit Esel begegnen, sagen Sie ihm, ich lösche die Gaslampen bei Einbruch der Dunkelheit. Danach muss er selber sehen, wie er rauskommt. Und geben Sie mir Bescheid, falls er da unten irgendwas Zwielichtiges im Schilde führt. Er bleibt immer stundenlang, wenn er da runtergeht. Es ist makaber.«
    » Ihnen ist aber schon klar, dass Sie den Leuten Geld dafür abnehmen, damit sie sich menschliche Überreste ansehen können, non?«
    » Wollt ihr zwei da jetzt rein oder nicht?«
    Sie stiegen die Marmorstufen hinab in breite Tunnel, an deren Wänden sich Tibiae, Fibulae, Femurn, Ulnae, Radii und Schädel stapelten. Als sie zu dem Eisentor mit dem Schild FÜR BESUCHER BETRETEN VERBOTEN kamen, ging Lucien in die Knie, um die Signallaterne anzuzünden.
    » Da gehen wir rein?«, fragte Henri mit starrem Blick in das endlose Schwarz jenseits der Gitterstäbe.
    » Ja«, sagte Lucien.
    Henri hielt die Karte des Kutschers vor die letzte Gaslampe. » Einige dieser Kammern sind riesig. Sicher wird der Farbenmann unsere Laterne sehen. Wenn er merkt, dass ihm jemand folgt, wird er uns nie und nimmer zu den Bildern führen.«
    » Deshalb die Signallaterne.

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